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Schutzjuden

Im Landes erwünschte bzw. geduldete Juden bekamen auf Antrag bei der Landesregierung eine landesherrliche Duldung und Aufenthaltserlaubnis, die sehr häufig als Privileg, seltener als Konzession oder Schutzbrief bezeichnet wurde. Solche Juden wurden deshalb als konzessionierte Juden oder Schutzjuden bezeichnet und galten als einheimische Juden und deren Nachkommen als „eingeborne“ Juden.

Mit diesem Privileg war das Recht verbunden, an einem vorbestimmten Ort des Landes mit einer eigenen Familie einen festen Wohnsitz zu nehmen. Gleichzeit wurde damit auch das Recht zum Handel für den Lebensunterhalt bestimmt, der streng reglementiert wurde. Daraus ergaben sich dann zwangsläufig auch die in Mecklenburg typisch vorzufindenden Berufe der einheimischen Juden:

  • Hausierhändler
  • Händler aus offenem Laden mit oder ohne Fuhrwerkserlaubnis
  • Productenhändler

Die beiden Letzteren durften sich unter Umständen zusätzliche Handelsknechte halten. Eine Betätigung als Handwerker oder in der Landwirtschaft blieb auch den Schutzjuden traditionell verwehrt.

Der Schutzbrief wurde nur männlichen Juden verliehen. Er war zwar keine rechtliche Voraussetzung für eine Heirat, war praktisch jedoch unerlässlich, um eine Frau ernähren und damit überhaupt eine finden zu können, die zu einer Heirat bereit war. Da die Frauen damals in wirtschaftlicher Hinsicht von den Männern abhängig waren, waren auch sie ihrerseits gezwungen, einen Schutzjuden zu finden, um einen eigenen Haushalt und eine eigene Familie zu gründen. Gelang es ihnen nicht, waren sie mehr oder weniger dazu verurteilt, ihr Leben lang bei ihren Eltern zu verbleiben. Damit war das Leben der Frau in der damaligen Zeit vorbestimmt.

Soweit es die Söhne von Schutzjuden anging, durften sie bis zur Volljährigkeit ohne besondere Erlaubnis im Nahrungsbetrieb ihres Vaters mitarbeiten. Sobald sie aber ihre Volljährigkeit erreichten oder eine eigene Familie gründen wollte, mussten auch sie auf Antrag auf die Erteilung eines Schutzbriefes hoffen. Im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es bei Söhnen üblich, dass ein Schutzbrief sehr oft für eine andere als die Heimatstadt erteilt wurde und er somit wegziehen musste.

Verstarb ein verheirateter Schutzjude konnte seine Witwe häufig den Nahrungsbetrieb ihres Mannes fortführen und war gelegentlich auch dazu in der Lage, den Schutzbrief auf einen Sohn oder einen potenziellen Schwiegersohn übertragen zu lassen und damit einer Tochter die Heirat zu ermöglichen.

Im Gegenzug für den Schutzbrief hatten Schutzjuden jährlich, später quartalsweise ein Schutz- oder Recognitionsgeld zu entrichten. Die Höhe lag gewöhnlich bei 12 Reichstalern, stellenweise auch deutlich weniger oder mehr. In wirtschaftlichen Notlagen konnte es auf Antrag auch ausgesetzt oder erlassen werden. Auch wenn es eine willkommene Einkommensquelle für die Herzöge und Großherzöge darstellte, war keineswegs staatstragend und bedeutend.

Mit der Erteilung eines landesherrlichen Privilegs war nicht automatisch ein städtisches Niederlassungsrecht verbunden. Es war deshalb Usus, dass die Landesregierung vor Erteilung die Meinung des Magistrats der betreffenden Stadt einholte. Dieser war häufig dagegen, da er zusätzliche Konkurrenz für die christlichen Händler der Stadt verhindern wollte. Teilweise waren auch Vorurteile gegen Juden Gründe für eine Ablehnung durch den Magistrat. Erteilte die Landeseregierung jedoch letztlich das Privileg, wagte es kein Magistrat, dem Schutzjuden die städtische Niederlassungserlaubnis zu verweigern.

Zwar durften die Schutzjuden zunächst grundsätzliche keinen Grundstücke erwerben, jedoch war es später gängige Praxis, dass diese zumindest ihre Wohnhäuser kauften und an ihre Kinder vererben durften. Ab 1755 wurde mit § 377 des Landesgrundgesetzlichen Erbvergleichs dieser Usus in Gesetzesform gegossen. Es sollte jedoch noch viele Jahre dauern, bis sie darüber hinaus auch andere Grundstücke kaufen durften.

Die Schutzjuden und ihre Familien genossen schon früh die freie Ausübung ihres Glaubens. Sie schlossen sich deshalb zu kleinen jüdischen Gemeinden zusammen und hatten dazu regelmäßig einen Gemeindebeitrag zu leisten, dessen Höhe oft Anlass zu innergemeindlichen Streitigkeiten gab. Aus der Gemeindekasse wurden dann die Ausgaben für einen Religionslehrer, den Betrieb einer Synagoge und die Unterstützung für verarmte Gemeindemitglieder bestritten. Letzteres stellte lange Zeit eine Ungerechtigkeit in den Städten dar: Obwohl die jüdischen Gemeinden sich finanziell um ihre eigenen Bedürftigen kümmerten und dort schon Beiträge entrichteten, musste sie trotzdem in die städtische Armenkasse einzahlen, hatten im Bedarfsfalle daraus selbst aber keinen eigenen Anspruch.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 20.09.2015)
Quellen:

  • unbekannt („von einem Mitbürger dieses Staats“): Ueber die Aufnahme und Concessionierung der fremden und einheimischen Juden, in rechtlicher und staatswirthschaftlicher Hinsicht, mit besonderer Beziehung auf Mecklenburg-Strelitz, J. F. Unger, Berlin 1802