Orte
Mecklenburg war über viele Jahrhunderte hinweg auch Heimat jüdischer Einwohner, welche zum regionalen Stadtleben beigetragen und so das Bild Mecklenburger Städte immer mitgeprägt hatten.
Gab es während der ersten Phase der jüdischen Besiedlung Mecklenburgs bis 1492 wohl in fast allen Städten ansässige jüdische Familien, existierten jedoch nur in vereinzelten Mecklenburger Städten wirklich entwickelte jüdische Gemeinden, so unter anderem in Teterow und vor allem in Parchim. Dies änderte sich in den meisten Landstädten mit der beginnenden jüdischen Neuansiedlung. Nach der im Rahmen des Sternberger Hostienfrevelprozesses im Jahre 1492 erfolgten Vertreibung aller Juden aus Mecklenburg und ihrer anschließenden fast 200jährigen Abwesenheit kehrten sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts nun allmählich wieder zurück. Schon um 1750 lebten Juden wieder in mindestens 30 Mecklenburger Städten. Auch wenn die Magistrate der Landstädte anfangs darüber aus den unterschiedlichsten Gründen selten erfreut waren, wagten sie es letztendlich nicht, sich den seitens der Landesregierung und den Großherzögen erteilten Privilegien und den damit verbundenen Niederlassungsrechten der neuen Schutzjuden entgegenzutreten. Im Gegensatz dazu widersetzten sich die Seestädte Rostock und Wismar - Letztere insbesondere nach mehreren Pogromen während der ersten Siedlungsphase gegen ansässige Juden - hartnäckig und erfolgreich einem jüdischen Zuzug und das schließlich bis gegen Mitte des 19. Jahrhunderts.
In der zweiten Phase der Ansiedlung gab es nun kaum eine Stadt in Mecklenburg, die nicht zumindest über eine kleine jüdische Gemeinde verfügte. Jede Stadt beherbergte neben christlichen auch mindestens ein jüdisches Handelsgeschäft an seinem Marktplatz. Mit fortschreitender Lockerung der beruflichen Restriktionen waren später neben Händlern, Kaufleuten und Fabrikanten insbesondere jüdische Ärzte und Anwälte in den Städten präsent.
Erwartungsgemäß existierten in der Blütezeit der jüdischen Bevölkerungsentwicklung in Mecklenburg gegen Mitte des 19. Jahrhunderts die zahlenmäßig größten Gemeinden in den Großstädten wie Schwerin und Rostock oder in der Residenzstadt Alt-Strelitz. Aber auch in den kleineren Landstädten wie Stavenhagen und Güstrow entstanden später beachtliche Gemeinden.
Waren die jüdischen Gemeinden durch Abwanderung in die Großstädte oder durch Emigration nach Übersee bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts geschrumpft, bereitete der Nationalsozialismus jeder jüdischen Gemeinde in Mecklenburg das endgültige Ende.
Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg bildete sich zwar eine neue jüdische Landesgemeinde, diese konnte es aber aufgrund der wenigen Mitglieder und den nun neuen politischen Verhältnissen in der DDR zu kaum einer Bedeutung mehr bringen. Erst mit der Wiedervereinigung bildeten sich durch den Zuzug von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion wieder jüdische Gemeinden, nun aber nur noch offiziell in Rostock und Schwerin sowie einem kleineren Ableger der Schweriner Gemeinde in Wismar.
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 20.09.2015)