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Jüdische Friedhöfe

Das Grab eines Verstorbenen nimmt im Judentum einen der höchsten religiösen Stellenwerte ein. Nach jüdischem Ritus gehört es dem Toten, ist unantastbar und für die Ewigkeit angelegt.

Auch in Mecklenburg gab es in nahezu jeder Stadt einen jüdischen Friedhof. Allein schon aus der bloßen Notwendigkeit heraus, die Toten bestatten zu müssen, erlaubten die Städte ihren jüdischen Gemeinden schon sehr früh, eigens dazu Grundstücke zu pachten oder anzukaufen. Diese Grundstücke lagen allerdings nicht selten außerhalb der Stadtgrenzen.

Soweit es die erste Phase der jüdischen Besiedlung in Mecklenburg angeht, sind allenfalls nur vage Berichte über die damaligen Friedhöfe überliefert. Die meisten jüdischen Friedhöfe der zweiten Ansiedlungsphase wurden mit Beginn oder sogar erst zur Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt. Da die Ansiedlung der Schutzjuden in den meisten Mecklenburger Städten bereits gegen Mitte des 18. Jahrhunderts erfolgte, stellt sich unweigerlich die Frage, wo in der Zwischenzeit die jüdischen Toten eigentlich bestattet wurden. Sie lässt sich nach dem derzeitigen Forschungsstand in der Tat nicht für jede Stadt eindeutig beantworten. Möglicherweise erfolgten deshalb Bestattungen in Nachbargemeinden, die schon über einen eigenen Friedhof verfügten, oder aber die Kenntnis über frühere Friedhöfe in der Stadt ist nur verloren gegangen.

Jüdische Friedhöfe wurden immer wieder zum Ziel rassistisch motivierter Schändungen, und das bereits weit vor der Machtergreifung des Nationalsozialismus. So sind Schändungen schon aus dem Jahr 1806 in Parchim, dem Jahr 1854 in Sternberg und in den 1920er Jahren in Gnoien, Kröpelin und Brüel belegt.

Zur „Reichskristallnacht” am 9./10. November 1938 wurden neben den Synagogen auch die jüdischen Friedhöfe verwüstet: Grabsteine wurden beschmiert, umgeworfen oder zerstört, zum Teil blieben sogar die sterblichen Überreste nicht unangetastet. So sind in Mecklenburg während des Nationalsozialismus mindestens 13 jüdische Friedhöfe geschändet worden. Doch auch nach dem Untergang des Dritten Reichs war den Toten keine Ruhe vergönnt: Sowohl während der DDR-Zeit, dort insbesondere in den 1980er Jahren, als auch nach der Wiedervereinigung kam es immer wieder zu Schmierereien und Zerstörungen.

Die meisten der heute noch erhaltenen jüdischen Friedhöfe sind aus diesem Grund bloße Mahnmale ohne wirklichen Grabbestand. Nur sehr wenige überstanden die Zeiten als wirkliche Friedhöfe, darunter Teterow, Brüel, Plau und Lübz. Sie widerspiegeln heute noch die einstige jüdische Seite Mecklenburger Städte.

Dass noch viele weiterführende Informationen und Fotografien vom ehemaligen Bestand jüdischer Friedhöfe in Mecklenburg erhalten geblieben sind, ist vor allem dem ehemaligen Goldberger Pfarrer Gerhard Voß zu verdanken, der 1987 eine Bestandsaufnahme der noch vorhandenen Friedhöfe durchführte. Eine ähnlich wertvolle Bestandsaufnahme der Friedhöfe und Grabmale führte nach der Wiedervereinigung der Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V. unter der Leitung von Norbert Francke und Bärbel Krieger durch.
Empfehlenswert in dem Zusammenhang ist auch der Besuch des Bereichs Mecklenburg-Vorpommern des Projekts Alemannia Judaica der Arbeitsgemeinschaft für die Erforschung der Geschichte der Juden im süddeutschen und angrenzenden Raum.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 20.09.2015)
Quellen:

  • Borchert, Jürgen / Klose, Detlef: Was blieb... Jüdische Spuren in Mecklenburg, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 1994
  • Brocke, Michael / Ruthenberg, Eckehart / Schulenburg, Kai Uwe: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Institut Kirche und Judentum, Berlin 1994
  • Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die historischen Friedhöfe der jüdischen Mecklenburger: Fotodokumentation der Friedhöfe und Grabmale, Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin
  • Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia: Die jüdische Geschichte der Stadt Sternberg (Mecklenburg), Verlag tredition, Hamburg 2015
  • Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2008
  • Stadtarchiv Parchim: Sig. 635a, Friedhofs-, Begräbnisplatz- u. Beerdigungsfragen sowie Schändung von Gräbern und Grabhölzern, 1763, 1803, 1806, 1845, 1847, 1851, 1919
  • Voß, Gerhard: Jüdische Friedhöfe in Mecklenburg – eine Bestandsaufnahme, Studienhefte zur Mecklenburgischen Kirchengeschichte, Heft 1 (1993), S. 5-15