Synagoge Stavenhagen

Region: Mecklenburgische Seenplatte
Adresse: Stavenhagen, Malchiner Straße 38 (Malchiner Straße Nr. 100)
Erhaltung: restauriertes Gebäude als Museum und Begnungsstätte

Geschichte der Synagoge

Aus der Zeit der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs sind keine Hinweise auf eine in der Stadt Stavenhagen existierende Synagoge vorhanden. Die sich erst nach der Wiederansiedlung in Stavenhagen entwickelnde jüdische Gemeinde erwarb am 25. September 1783 vom Bürger- und Zimmermeister Gust Domstreich für 375 Goldmark ein Grundstück in der Malchiner Straße 100 (die heutige Malchiner Straße 38) und plante dort, eine Synagoge zu errichten. Auf dem Grundstück befand sich bereits ein Gebäude, das als Gemeindehaus und Schule genutzt wurde. Zum Bau der Synagoge kam es zunächst aus unbekannten Gründen nicht. Sehr wahrscheinlich wurde das Gemeindehaus in der Zwischenzeit auch als Betraum für die Gottesdienste genutzt. Wie eine dendrochronologische Untersuchung des Bauholzes ergab, kann die Synagoge erst nach 1820 erbaut worden sein, und zwar im damals für die Mecklenburger Landgemeinden typischen Fachwerkstil im Hinterhof des Grundstücks. Es bestand aus einem Betsaal mit einem kleinen Vorraum, von dem aus eine Treppe auf die Frauenempore führte. Zur Synagoge gelangte man zunächst nur durch das Gemeindehaus, das das Wohnhaus des Lehrers und Schächters war und später teilweise auch an private Personen vermietet wurde. Zum Grundstücksensemble gehörten später auch eine Fachwerkremise, die zwischen den Jahren 1844 und 1884 erbaut wurde, und ab 1857 als Anbau am Gemeindehaus das rituelle Reinigungsbad von Stavenhagen. Bereits 1842 war die Synagoge weiter ausgebaut worden.

Anfang 1865 beschloss die Gemeinde, eine Sanierung der Synagoge und des Gemeindehauses durchzuführen. Im Jahr 1923, als die Reparaturkosten für das Gemeindehaus die finanziellen Möglichkeiten der Stavenhagener Gemeinde überstiegen, plante man bereits den Verkauf des Hauses, wozu es jedoch nicht kam. 1926 konnte die Synagoge dennoch letztmalig renoviert werden. Sie soll angeblich bis 1935 für Gottesdienste genutzt worden sein, wogegen jedoch die Tatsache spricht, dass bereits 1927 kein Minjan, die nach jüdischem Ritus notwendige Versammlung von mindestens zehn männlichen Betwilligen, mehr vorhanden war. Das gesamte Synagogengrundstück blieb damit zwar vorläufig im Eigentum der Gemeinde, wurde jedoch nicht mehr genutzt. Zu diesem Zeitpunkt lebte in Stavenhagen noch der letzte Rabbiner der Gemeinde, Sally Schlachter.

Zur „Reichskristallnacht“ wurde in der Nacht des 9. November 1938 die Inneneinrichtung zerschlagen und ein Brand gelegt, welcher aber durch einen Nachbarn aus Sorge um die angrenzenden Häuser gelöscht werden konnte. Sie war danach jedoch fast vollständig zerstört. Bis zum 25. Mai 1939 blieb die jüdische Gemeinde Eigentümerin des Grundstücks. Am 26. Mai 1939 kam es zum Zwangsverkauf der Synagoge und des Rabbinerhauses an den Tischler Carl Dubbert für 7000 Reichsmark. Dieser baute anschließend den Betraum zu einer Werkstatt um und wohnte mit seiner Familie im Vorderhaus. Nach seinem Tod im Jahr 1952 wurde das ehemalige Synagogengebäude als Holzlager und Werkstatt weitergenutzt. Ab 1986 waren das Vorderhaus unbewohnt und die ehemalige Synagoge ungenutzt und verfielen. Noch zu DDR-Zeiten wurde sie allerdings unter Denkmalschutz gestellt und 1988 erfolgten erste Sicherungsmaßnahmen.

Nach der Wiedervereinigung machte die Jewish Claims Conference keine Ansprüche auf die Synagoge oder das Rabbinerhaus geltend. Das Objekt konnte deshalb 1994 an die Erben nach Carl Dubbert übertragen werden und gelangte 1999 in das alleinige Eigentum seiner Enkelin Rosemarie Rieger. In der Zwischenzeit waren schon mehrere Notsicherungen durch Stadt und das Denkmalamt unternommen worden. Das baufällige Vorderhaus wurde zwar durch die neue Eigentümerin bis 2000 saniert und zu einem Wohn- und Geschäftshaus umgebaut, für den Wiederaufbau der Synagoge fand sich jedoch zunächst keine Lösung. Am 30. Mai 2011 gründete sich deshalb unter Beteiligung der Eigentümerin der Verein „Alte Synagoge Stavenhagen e.V.“. Die Erbin überließ dem Verein das Synagogengebäude über einen Erbpachtvertrag mit der Zweckbestimmung, dass das Gebäude zukünftig dem Gedenken an die Stavenhagener Juden dienen und zu kulturellen Veranstaltungen genutzt werden soll. Am 7. Dezember 2012 begann die Sanierung der ehemaligen Synagoge. Der Umbau des Gebäudes als Museum und Begegnungsstätte ist mittlerweile abgeschlossen.

Die Mikwe

Am 10. Oktober 1853 wurden alle Mecklenburg-Schwerinschen Gemeinden durch den Israelitischen Oberrat zur Haltung einer eigenen Mikwe verpflichtet. Da die Stavenhagener Juden damals über kein eigenes Ritualbad verfügten, nahmen diese zur Malchiner Gemeinde Kontakt auf, um die Erlaubnis zur Mitbenutzung der Malchiner Mikwe zu erreichen. Diese stand nicht im Eigentum der jüdischen Gemeinde, sondern war von einer Frau Köpk in Malchin nur gemietet worden. Am 24. Juni 1856 schloss auch die jüdischen Gemeinde von Stavenhagen mit der Eigentümerin des Reinigungsbades für die Dauer von zwei Jahren einen Nutzungsvertrag ab. Parallel dazu muss die Stavenhagener Gemeinde jedoch bereits die Anschaffung einer eigenen Mikwe im Ort im Sinn gehabt haben, denn schon am 26. Juni 1857 teilte die Stavenhagener Judenschaft dem Großherzoglichen Ministerium mit, dass sie ein eigenes Reinigungsbad im hofseitigen Anbau des Gemeindehauses eingerichtet habe. Anders als andernorts in Mecklenburg handelte es sich hier nicht um eine typische Grundwassermikwe, bei der man sich allenfalls um das Wegschaffen des Brauchwassers kümmern musste. Das Badewasser der Stavenhagener Mikwe wurde aus einem Brunnen herangeschafft und musste nach der Reinigung wieder abgepumpt werden.

Die Stavenhagener Mikwe wurde letztmalig am 4. Juni 1901 im Protokollbuch der jüdischen Gemeinde erwähnt, als beschlossen wurde, dass der Kaufmann H. Meyer zukünftig die Reinigung des Bades übernehmen sollte. Mit Schrumpfung der Gemeinde muss die Bedeutung der Mikwe auch hier abgenommen haben, jedoch scheint diese die Zeiten bis nach der Wiedervereinigung mehr oder weniger unbeschadet überstanden zu haben. Erst 1996 wurde im Zuge der Sanierungs- und Umbauarbeiten im ehemaligen Gemeindehaus die Mikwe abgetragen, da man zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis von ihrer dortigen Existenz mehr hatte.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 07.05.2016)
Quellen:

  • http://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Alte-Synagoge-in-Stavenhagen-gerettet,synagoge314.html
  • Alte Synagoge Stavenhagen
  • Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
  • Borchert, Jürgen / Klose, Detlef: Was blieb... Jüdische Spuren in Mecklenburg, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 1994
  • Brocke, Michael / Carlebach, Julius: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871, Walter de Gruyter, München 2004
  • Vormann, Heidemarie Gertrud: Bauhistorische Studien zu den Synagogen in Mecklenburg, Dissertation an der Technischen Universität Braunschweig, Braunschweig 2010