Dr. phil. Samuel Holdheim

(* 1806 Kempen/Kępno — † 22. August 1860 Berlin)

Der spätere Landesrabbiner von Mecklenburg-Schwerin, Dr. Samuel Holdheim, wurde 1806 im Südpreußischen Kempen/Kępno geboren. Er entstammte einem streng jüdisch-orthodox geprägten Elternhaus und besuchte später ebenso orthodox geprägte Schulen. Bereits in jungen Jahren war er als Privatlehrer in jüdischen Familien in und um Kempen tätig. Später studierte er Philosophie in Prag und Berlin und promovierte in Leipzig in diesem Fach.

Holdheim war ab 1836 zunächst Oberrabbiner von Frankfurt (Oder), wo er mehr und mehr auch als Autor diverser Zeitungsartikel zur Ansicht kam, dass das klassische Judentum an sich und das Verhältnis des Staates dazu reformiert und modernisiert eme müsste und erarbeitete sich in dieser Zeit bereits einen hervorragenden Ruf als jüdischer Gelehrter. Hier führte er Deutsch als Sprache der Predigten in den jüdischen Gottesdienst ein. Seine Anschauungen führten allerdings zu einem Konflikt innerhalb der Gemeinde.

Wohl deshalb folgte er 1840 einem Ruf nach Mecklenburg-Schwerin und wurde dann von Großherzog Paul Friedrich am 19. September 1840 zum ersten offiziellen Landesrabbiner von Mecklenburg-Schwerin mit Sitz in Schwerin ernannt. Seine erster Augenmerk lag hier zunächst auf dem Gründen von Schulen für jüdische Kinder. Gerade hier wurde er zum Mitbegründer des reformierten Judentums und war Vertreter einer der radikaleren Strömungen. Er war für die Trennung der nationalen und religiösen Seiten des Judentums und für eine Modernisierung und Anpassung an die staatlichen Verhältnisse, um so gleichzeitig die Emanzipation und Akzeptanz der Juden in der deutschen Gesellschaft voranzutreiben. 1843 veröffentlichte er sein wichtigstes und wohl auch umstrittenstes Werk „Die Autonomie der Rabbinen“. Es bekam eine breite Anerkennung in vielen Gemeinden in Deutschland, löste aber auch eine ebenso breite Diskussion aus, da es mehr oder weniger an den Grundfesten des bis dahin überlieferten Judentums rüttelte: der über die Jahrhunderte hinweg vertretenen Ansicht, als eigenständige Nation innerhalb einer Nation weiter bestehen zu müssen. Im Buch setzte er sich beispielsweise für die Abschaffung der Anwendung jüdischer Vorschriften auf Heirat und Scheidung ein, welche dann eben durch die allgemeinen staatlichen Regeln ersetzt werden sollten. Der Sonntag sollte den Schabbat ersetzen, Mischehen sollten möglich gemacht werden, die Beschneidung unterlassen und das Judentums an sich als rein religiöse Gemeinschaft verstanden werden. Diese Ansichten vertrat er auch auf den in Braunschweig (1844), Frankfurt am Main (1845) und Breslau/Wrocław (1846) stattfindenden Rabbinerversammlungen. Bei der Auseinandersetzung mit seinen orthodoxen Kritikern halfen ihm seine umfangreichen talmudischen Kenntnisse, die er bereits in seiner Jugend erworben hatte. Mit seinen radikalen Ansichten stieß er in den Mecklenburger Gemeinden nicht selten auf Widerstand. Diese waren zwar an einer gewissen Assimilation und vor allem an einer rechtlichen Gleichstellung interessiert, sahen aber durch die Umsetzung der Forderungen Holdheims den Bestand des Judentums gefährdet.

Am 28. August 1847 schied er aus dem Amt und verließ Schwerin, wo er von 1840 bis 1847 unter der Adresse Großer Moor 12 gewohnt hatte. Dieses Haus existiert dort noch heute. Er übernahm eine Stelle als Prediger der 1845 gegründeten Jüdische Reformgenossenschaft in Berlin, wo er beispielsweise den Sonntag als Gebetstag einführte und jüdische Feiertage verkürzte, um den reformierten Gemeindemitgliedern eine gesellschaftliche Assimilation zu erleichtern. Hier blieb er bis zu seinem frühen Tod am 22. August 1860. Heute trägt eine Straße in Schwerin seinen Namen.

Holdheim war mindestens ein Mal verheiratet. Seine Ehefrau, die ca. 1815 in Frankfurt an der Oder geborene Cäcilie geb. Salomon, verstarb weit nach ihm während eines Kuraufenthaltes am 3. September 1889 in Warnemünde.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 20.09.2015)
Quellen:

  • http://www.geni.com/people/Samuel-Rabbi-Holdheim/6000000003050541931
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Holdheim
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
  • Schröder, Frank: 100 jüdische Persönlichkeiten aus Mecklenburg-Vorpommern: ein Begleiter zur Ausstellung des Max-Samuel-Hauses, 22. Mai bis 22. November 2003. Schriften aus dem Max-Samuel-Haus 4, Stiftung Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock Max-Samuel-Haus, Rostock 2003
  • Standesamt Warnemünde: Sterberegister Warnemünde C 003, Urkunde Nr. 1889/43