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Dr. Siegfried Silberstein

(* 24. Januar 1866 Groß Lagiewnik/Łagiewniki Wielkie — † 8. August 1935 Rostock)

Der spätere Landesrabbiner von Mecklenburg, Dr. Siegfried Silberstein, kam am 24. Januar 1866 im Schlesischen Groß Lagiewnik/Łagiewniki Wielkie zur Welt. Er studierte Philosophie und semitische Philologie in Breslau und Tübingen und erhielt in Tübingen auch seine Doktorwürde. Nach dem gleichzeitigen Besuch des Breslauer Rabbinerseminars wurde er 1893 zum Rabbiner ordiniert. Unmittelbar danach nahm er eine Rabbinerstelle im Westpreußischen Elbing/Elbląg an.

Hier muss er seine spätere Ehefrau Helene Weißbronn kennengelernt haben, die er 1901 heiratete. Ihre beiden Töchter wurden 1903 und 1905 ebenfalls in Elbing geboren.

Nach vielen Jahren des Dienstes in Elbing übernahm Silberstein am 1. Oktober 1910 in Schwerin die Stelle als Landesrabbiner von Mecklenburg-Schwerin, und damit zu einer sehr schwierigen Zeit für die jüdischen Gemeinden von Mecklenburg. Diese waren seit der Mitte des 19. Jahrhunderts durch Abwanderung und Emigration bereits stark geschrumpft, standen nun aber aufgrund der allgemeinden Assimilation der Juden und deren Austritten aus dem Judentum vor dem finanziellen Aus. Der Israelitische Oberrat war deshalb schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts bestrebt gewesen, zu kleine und damit finanziell nicht mehr lebensfähige Gemeinden den größeren Gemeinde anzugliedern und sogar aufzulösen. Noch ein weiterer Aspekt bereitete den jüdischen Gemeinden Probleme: Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts und verstärkt nach dem Ende des Ersten Weltkriegs siedelten sich in ganz Deutschland verstärkt Ostjuden aus Polen, Russland, Galizien und Rumänien an, weil sie vor Pogromen geflohen waren oder aus wirtschaftlichen Gründen im Westen ein besseres Auskommen suchten. Zumindest in den größeren Gemeinden Mecklenburgs, wie Rostock und Schwerin, kam es so zwar zu einem zeitweisen Zuwachs der Gemeindemitglieder. Zwangsläufig führte das aber aufgrund der kulturellen Unterschiede und der unterschiedlichen Auslegung des jüdischen Ritus zu Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten innerhalb der Gemeinden. So führte der Zuzug letztlich zu einem Auseinanderbrechen von Gemeinden und zahlreichen Austritten alteingesessener Mecklenburger Juden. Auch wenn Silberstein als Rabbiner orthodox geprägt war, bemühte er sich um einen Ausgleich mit den vielen, liberaler geprägten Gemeinden in Mecklenburg und zwischen den liberaler geprägten Mecklenburger Juden und den zugezogenen orhtodoxen Ostjuden. Es gelang ihm zumindest in Schwerin und Güstrow letztlich nicht.

Silberstein betrieb umfangreiche genealogische und geschichtliche Forschungen. So legte er beispielsweise Akten zu alteingesessenen jüdischen Familien an und half bei der Erstellung von Stammbäumen, die teilweise heute noch im Landeshauptarchiv Schwerin vorhanden sind. Es wundert daher nicht, dass er ein Mitglied des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde war. Sowohl zur jüdischen Geschichte Mecklenburgs als auch zu seinem weiteren Steckenpferd, der Hauptgestalt der jüdischen Aufklärung (Haskala) in Deutschland, Moses Mendelssohn, veröffentlichte er einige Artikel oder Bücher. Zu nennen ist dabei vor allem sein Werk „Die Familiennamen der Juden unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Festlegung in Mecklenburg“, das auch heute noch ein wichtiges Hilfsmittel für die jüdischen Namenskunde in Mecklenburg ist.

Als nach Beschluss der Landesversammlung jüdischer Gemeinden der Umzug des Landesrabbinats von Schwerin nach Rostock verlegte wurde, zog auch Silberstein nach Rostock. Anders als in Schwerin gelang es ihm hier zusammen mit dem Gemeindevorsteher Max Samuel und dem Kantor Bernhard Sawitz, die Rostocker Gemeinde zusammenzuhalten.

Bereits 1933 wurde ihm aufgrund der politischen Verhältnisse der Status als Landesbediensteter aberkannt. Die Landesgemeinde, die das Gehalt des Landesrabbiners von da an selbst aufzubringen hatte, sah sich jedoch ab März 1934 dazu nicht mehr in der Lage. Silberstein blieb damit nichts anderes übrig, als in den Ruhestand zu gehen. Er war damit der letzte offizielle Landesrabbiner Mecklenburgs vor der Schoah, auch wenn nach ihm der Lübecker Rabbiner David Alexander Winter 1936 seine Geschäfte kommissarisch übernahm.

Als Jude wurde er noch 1935 aus den Matrikelbüchern des Vereins für mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde gestrichen. Dr. Siegfried Silberstein verstarb am 8. August 1935 in Rostock und wurde auf dem jüdischen Friedhof im Rostocker Lindenpark bestattet. Seine Töchter überlebten den Holocaust durch Emigration.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 20.09.2015)
Quellen:

  • Leo Baeck Institute New York: AR 7019 / MF 551, Rudolf Jakob Simonis Collection, 1749-1965.
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
  • Schröder, Frank / Katschke, Steffi: Die Synagoge und ihre Rabbiner, Rostock 1902-1938, Schriften aus dem Max-Samuel-Haus 13, Stiftung Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock Max-Samuel-Haus, Rostock 2013
  • Schröder, Frank: 100 jüdische Persönlichkeiten aus Mecklenburg-Vorpommern: ein Begleiter zur Ausstellung des Max-Samuel-Hauses, 22. Mai bis 22. November 2003. Schriften aus dem Max-Samuel-Haus 4, Stiftung Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock Max-Samuel-Haus, Rostock 2003