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Otto Marcus

(* 15. Oktober 1863 Malchin — † 5. Dezember 1952 London)

Der spätere Maler, Illustrator und Karikaturist Otto Marcus kam am 15. Oktober 1863 in Malchin als Sohn des Malchiner Kaufmanns Louis (Levy) Marcus und seiner aus Schwerin stammenden Ehefrau Rosa geb. Jaffe zur Welt. Er hatte später insgesamt sechs Geschwister und gehörte dem gleichen Malchiner Familienzweig an, dem auch der in Malchin geborene Erfinder Siegfried Marcus entstammte und mit dem er später in Wien auch bekannt war. Er erhielt hier jüdischen Religionsunterricht, besuchte zunächst die städtische Schule in Malchin und ging dann später auf das Schweriner Gymnasium.

Schon 1879, also im Alter von 16 Jahren, ging er nach Wien, wo sich bereits zwei seiner Onkel wirtschaftlich etabliert hatten. Ein Jahr später wurde er Schüler an der Wiener Akademie der bildenden Künste. Am 21. Oktober 1882 schrieb er sich an der Münchner Kunstakademie ein, wo er einer Naturklasse angehörte und in der Historienmalerei ausgebildet wurde. Dort muss sich Marcus auch erstmals politisch betätigt haben, denn er trat 1884 der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands bei, der Vorläuferin der Sozialdemokratischen Partei. Da linke Sichtweisen in dieser Zeit noch gefährlich und beruflich sicherlich hinderlich waren, dürfte dies nur eine kurze aktive politische Episode in seinem Leben geblieben sein. Durch die Wahl seiner späteren Auftraggeber und seiner Lebensziele ist aber ersichtlich, dass er Zeit seines Lebens dem sozialdemokratischen Gedanken treu blieb. Nach dem Abschluss seines Münchner Studiums leistete er 1886 seinen einjährigen Militärdienst ab, um danach 1887 nach Paris zu gehen. Hier besuchte er bis verschiedene Kunstschulen und Ateliers und verfeinerte dort seine künstlerischen Fähigkeiten. 1889 ermöglichte ihm der Umstand, dass er ein Preisträger der Michael-Beer-Stiftung wurde, ein einjähriges Studium in Italien.

Von dort zurückgekehrt muss er sich um 1890 in der aufstrebenden Metropole Berlin niedergelassen haben, denn er begann in diesem Jahr für verschiedene, hier ansässige Verlage, wie den Dietz Verlag, die Berliner Morgenpost und die Berliner Illustrierte, tätig zu werden. Marcus beschränkte sich jedoch nicht nur auf diese Tätigkeit. Noch im gleichen Jahr gewann er den ersten Preis in einem Wettbewerb für Wandbilder, eine Kunstform, für die er später noch zahlreiche Aufträge übernahm, dabei Werke in Hamburg, Berlin, Schwerin und Quedlinburg hinterließ und mit diesen einige Preise erringen konnte. Ein Jahr später wurde er Mitglied der Jury für die Ausschmückung des Hamburger Rathauses.

Die Gründe, weshalb er um 1895 aus dem Judentum austrat, sind unbekannt. Möglicherweise tat er es damit vielen Juden in dieser Zeit gleich, die es als letzten Schritt der Assimilation zum deutschen Staatsbürger ansahen. Er schloss sich nach seinem Austritt allerdings keiner neuen Konfession an.

Von 1901 bis 1927 übernahm er eine Lehrtätigkeit an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums, wo er das Aktzeichnen vermittelte, später war er auch Lehrer an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst. Auch in dieser Zeit begnügte er sich nicht mit seiner Haupttätigkeit, sondern nahm darüber hinaus, wie seit seiner Berliner Phase, weiterhin an zahlreichen Ausstellungen teil.

In Berlin dürfte Marcus wohl auch seine spätere Ehefrau, die aus Mageburg stammende evangelische Malerin Elisabeth Sendler kennengelernt haben. 1909 kam die einzige Tochter Ruth in Berlin-Schöneberg zur Welt. Sie trat zwar nicht in die künstlerischen Fußstapfen ihrer Eltern, hatte aber wohl dennoch deren künstlerisches Talent geerbt. Ruth wurde später klassische Solotänzerin und trat an verschiedenen Bühnen in Berlin, Hannover, Basel, später in Brünn/Brno und Reichenberg/Liberec in der Tschechoslowakei auf.

Als Kenner der schlechten Versorgungslage zahlreicher Künstler war für Marcus prägend, dass er sich für die wirtschaftliche Absicherung bildender Künstler einsetzte und dabei auch persönliche Opfer in Kauf nahm, in dem er durch die Aufgabe seiner Lehrtätigkeit für dieses Ziel seine eigene Pensionsberechtigung verlor. Er wurde 1913 zum Mitbegründer des Wirtschaftlichen Verbandes bildender Künstler, dem späteren Reichsverband bildender Künstler Deutschlands, deren Generalsekretär er bis 1931 war. Darüber hinaus war Marcus Mitglied des Reichswirtschaftsrates, der Internationalen Urheberrechtskommission, des Vereins Berliner Künstler, des Mecklenburgischen Künstler-Bundes und des Verbandes Deutscher Illustratoren.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann wie für viele Menschen mit jüdischen Wurzeln auch für die Familie Marcus eine gefährliche Zeit. Da die Tochter Ruth als „Halbjüdin“ Gefahr lief, verfolgt zu werden, emigrierte sie 1938 nach London. Hier arbeitete sie später als Tänzerin und Choreografin, und zwar unter dem Geburtsnamen ihrer Mutter Sendler, den sie 1933 angenommen hatte, um ihre jüdische Abstammung nicht offen zu legen. Auch Otto Marcus konnte 1939 mit der Hilfe seiner Tochter noch rechtzeitig nach London flüchten, musste dazu allerdings seine Ehefrau in Berlin zurücklassen. Sie starb bei einem Bombenangriff am 2. März 1945 in der Nähe ihrer Wohnung.

Marcus war als Künstler gezwungen, unter einfachsten Verhältnissen und mit begrenzten finanziellen Mitteln in London zu leben. Er nahm nochmals an Ausstellungen der Royal Academy teil und erhielt 1949 die Ehrenmitgliedschaft des Internationalen Künstlerverbandes in London. Otto Marcus verstarb schließlich in London, widersprüchlichen Angaben zufolge am 5. oder 12. Dezember 1952.

2002 fand man bei Bauarbeiten im ehemaligen Geschäftshaus seines Bruders Heinrich Marcus in der Schweriner Königstraße, der heutigen Puschkinstraße, sehr wahrscheinlich von Otto Marcus erstellte Grafiken, die der Bruder vor seiner Emigration dort versteckt hatte. Die gefundenen Werke gelten heute unverständlicherweise als verschollen.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 03.04.2016)
Quellen:

  • Akademie der Künste München: Matrikelbuch 1841-1884, 1882, 04237 Otto Marcus
  • Gertz, Torsten: Otto Marcus: Maler, Illustrator und Karikaturist, Maajan - Die Quelle, Ausgabe 97 (2010), S. 3613-3622
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
  • Schröder, Frank: 100 jüdische Persönlichkeiten aus Mecklenburg-Vorpommern: ein Begleiter zur Ausstellung des Max-Samuel-Hauses, 22. Mai bis 22. November 2003. Schriften aus dem Max-Samuel-Haus 4, Stiftung Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock Max-Samuel-Haus, Rostock 2003