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Arnold Bernhard

(* 20. Oktober 1886 Dargun — † 1944 Auschwitz)

Arnold Bernhard wurde als Sohn des Darguner Bürstenfabrikaten Siegmund Bernhard und seiner Ehefrau Helene geb. Löwenberg am 20. Oktober 1886 in Dargun als jüngster von drei Brüdern geboren.

Im Mai 1890 verlegte sein Vater den Firmen- und Lebensmittelpunkt der Familie nach Rostock. Über Arnolds dortige Ausbildung ist nichts bekannt, jedoch dürfte er nach der Schule schon früh in der väterlichen Firma gelernt und mitgearbeitet haben. Die Bernhards waren als patriotische deutsche Staatsbürger bekannt und nicht nur innerhalb der jüdischen Gemeinde geachtet. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Arnold seine schwere Pflicht im Ersten Weltkrieg zu leisten hatte. Vom 13. September 1915 bis zum Dezember 1918 war er als Sanitätsunteroffizier an der Westfront eingesetzt. Für seinen dortigen Einsatz erhielt er mehrere Medaillen, unter anderem auch das Eiserne Kreuz II. Klasse. Er hatte das Glück, unversehrt aus dem Krieg heim zu kehren.

Am 8. Juni 1918 heiratete er in Rostock die 13 Jahre jüngere und aus Parchim stammende Emma Hess. Ihre drei Kinder Ursula (1921), Bruno Jürgen (1923) und Hannchen (1925) kamen alle in Rostock zur Welt. In den 1920er Jahren, vermutlich 1926, gab sein Vater Siegmund Bernhard die Firmenleitung an ihn weiter. Die Firma prosperierte und bot der jungen Familie ein gutes Auskommen.

Bereits 1924 war Bernhard als Mitglied in den Vorstand der jüdischen Gemeinde gewählt worden. Nachdem der Gemeindevorsteher Max Samuel, der das Amt zuvor von Arnolds Vater übernommen hatte, 1938 aus Deutschland geflohen war, übernahm Arnold diesen Posten und war damit der letzte jüdische Gemeindevorsteher von Rostock. Seine Auswanderungspläne, die er gleichfalls spätestens in diesem Jahr schon gefasst hatte, stellte er trotz Wissen um die nationalsozialistische Verfolgung dennoch zum Wohle seiner Gemeinde zurück. Mit welchem Pflichtbewusstsein Arnold Bernhard sein Amt als Gemeindevorsteher ausfüllte, zeigte sich nochmals nur kurze Zeit später. Im Spätherbst 1938 wurden in einer reichsweiten Aktion sogenannte Ostjuden, Juden Polnischer oder anderer Staatsangehörigkeit im Osten liegender Länder, deportiert, in dem sie ohne ihr Hab und Gut per Lastkraftwagen an die Polnische Grenze gekarrt und dort im Niemandsland der Grenze ausgesetzt wurden. Am 28. Oktober 1938 war es auch in Rostock soweit. Arnold Bernhard war es, der dafür sorgte, dass die hier insgesamt 37 festgenommenen und zu deportierenden Juden vor dem Abtransport zumindest Geld, Decken und warme Kleidung erhielten. Mehr noch: Er setzte sich damit durch, den Transport bis an die Grenze begleiten zu dürfen und kaufte für die Ausgesetzten Eisenbahnfahrkarten für Polen. Tief erschüttert von dieser Aktion erkannte Bernhard die unmittelbare Gefahr auch für seine jüdische Gemeinde und nahm dies zum Anlass, gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Dr. Ernst Nast in seinem Hause ein Büro zur Unterstützung von Auswanderungsmöglichkeiten einzurichten.

Während der „Reichskristallnacht“ am 9./10. November 1938 wurde er, wie die meisten männlichen Juden in Mecklenburg, in sogenannte Schutzhaft genommen, in das Gefägnis Alt-Strelitz verbracht, kurze Zeit später jedoch wieder entlassen. Während dieser Zeit wurde seine Wohnung verwüstet, später seine Bürstenfabrik, die seit 1838 von seiner Familie aufgebaut worden war, „arisiert“. Als am 10. Juli 1942 in ganz Mecklenburg jüdische Einwohner zusammengetrieben und damit der erste große Deportationszug nach Auschwitz zusammengestellt wurde, durfte Bernhard auf eigenen Wunsch diesen Transport zumindest noch bis Ludwigslust begleiten. Spätestens hier wurde ihm seine bevorstehende Vernichtung vor Augen geführt. Ein knappes Jahr später, am 23. Juni 1943, wurden auch er mit seiner Ehefrau Emma, seiner Mutter Helene und dem Mündel Hanna Levy, das die Familie nach dem Selbstmord ihres Vaters in Obhut genommen hatte, zunächst nach Theresienstadt deportiert, wo Arnolds Mutter verhungerte. Er selbst und seine Frau Emma wurden 1944 nach Auschwitz abtransportiert, kehrten von dort nicht wieder und wurden für tot erklärt. Vor der Deportation war es den Bernhards jedoch gelungen, ihre Kinder mit den später legendär gewordenen Kindertransporten außer Landes in Sicherheit zu bringen.

Der deutsche Jude, jüdische Mecklenburger und deutsche Staatsbürger Arnold Bernhard steht heute für ein unerschütterliches Pflichtbewusstsein, das sogar das eigene Schicksal und Wohlergehen unterordnet, eine Eigenschaft, die nationale und nationalsozialistische Kreise damals gern nach ihrer Sichtweise nur Deutschen sogenannten „reinrassigen“ Blutes zugestanden. Mit seinem Opfer führte Bernhard diese platten Nationalismen ad absurdum.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 15.05.2016)
Quellen:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Arnold_Bernhard
  • Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2008
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
  • Schröder, Frank / Ehlers, Ingrid (Hrsg.): Zwischen Emanzipation und Vernichtung: Zur Geschichte der Juden in Rostock. Schriftenreihe des Stadtarchivs Rostock, Heft 9., Stadtarchiv Rostock, Rostock 1988
  • Schröder, Frank: 100 jüdische Persönlichkeiten aus Mecklenburg-Vorpommern: ein Begleiter zur Ausstellung des Max-Samuel-Hauses, 22. Mai bis 22. November 2003. Schriften aus dem Max-Samuel-Haus 4, Stiftung Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Rostock Max-Samuel-Haus, Rostock 2003