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Chajim Friedberg

(* um 1700 Friedberg (Neumark)/Strzelce Krajeńskie — † nach 1767 Bützow)

Chajim Friedberg wurde um 1700 im Neumärkischen Friedberg (heute Strzelce Krajeńskie) als Sohn eines Ephraim geboren und war zunächst unter verschiedenen Namen bekannt, so unter anderen Heumann, Joachim oder Jochim Gumpertz/Gumprecht. Er muss bereits dort eine rabbinische Laufbahn eingeschlagen und mehrere Talmudschulen besucht haben, denn er war später als gelehrter Mann bekannt, besaß eine Thorarolle und trug den rabbinischen Titel chawer raw.

Wie und wann genau er nach Mecklenburg kam, ist ungeklärt. Seine Sesshaftigkeit in Bützow ist jedoch Sophie Charlotte, der Landgräfin zu Hessen und Witwe des Herzogs Friedrich Wilhelm, zu verdanken, die hier seit 1713 lebte und in der Folgezeit neben französischen Hugenotten und pfälzischen Protestanten auch einigen Juden die Ansiedlung ermöglichte. Sie hatte schon 1738 Chajim Friedberg und einen Nathan Hersch, 1744 zusätzlich einen Ahron Ahrendt, mit Freibriefen ausgestattet und sie zu ihren Hofjuden bestellt. Welche Funktion dabei Friedberg an dem Hofe einnahm, ist derzeit ungeklärt. Seinen später verwendeten Nachnamen Friedberg nahm er sicherlich erst hier an und scheint ihm nur von anderen gegeben worden zu sein. Denn in offiziellen Dokumenten unterzeichnete er auch später stets als Jochim Gumpertz.

Er war verheiratet mit Hanna Bamberg, die aus Berlin stammte und deren Bruder David Oberrabbiner in Altona war. Sie schenkten mehreren Kindern das Leben. Friedbergs Schwester Batseba heiratete später den ebenfalls in Bützow tätigen Rabbiner und Hofjuden Nathan Hersch oder Hirsch, auch Natha Cohn oder Nasan Meserietsche genannt.

Seine Berühmtheit verdankt Friedberg vor allem dem Judenlandtag in Malchin 1752, wo er zum Hauptschreiber und Deputierten gewählt wurde. Er war damit der Sprecher der damals etwa 200 Personen umfassenden Judenschaft von Mecklenburg. Auf dem Landtag trat er im Übrigen unter dem Namen Jochim Gumpertz auf und war Mitunterzeichner des dortigen Beschlusses zur jüdischen Gerichtsbarkeit, stellte sich aber schon kurz darauf gegen diese Regelungen, die 1755 dann durch den Herzog ohnehin wieder aufgehoben wurden. Wie Friedberg war auch sein Schwager, Rabbi Natha, Teilnehmer dieses Landtags, war dort Deputierter und Stellvertreter Friedberg.

Er wurde in der Folgezeit mehrfach aktenkundig. So zeigte er 1755 in seiner Eigenschaft als Landesdeputierter das Auftreten Chassidischer Juden in Mecklenburg beim Herzog an. Darüber hinaus soll er der Favorit des Hof- und Landgerichtspräsidenten von Petersdorff gewesen sein. Durch Friedbergs Einfluss wurde 1763 der Jude Falk Hirsch aus Franken aus der Haft in Neubukow mit einer Kautionszahlung entlassen und wurde in Bützow zur Bewährung aufgenommen.

Nach einem Prozess gegen die jüdische Gemeinde von Bützow im Jahr 1764 scheint sein bisher hohes Ansehen gelitten zu haben. Der Grund für den Prozess war der Vorwurf gegen ihn gewesen, er habe zu wenig in die Almosenkasse gespendet. Die Klage vor dem Oberrabbinischen Gericht zu Frankfurt ging zu seinen Gunsten aus, jedoch brachten ihn die Prozesskosten von knapp 100 Reichstalern wirtschaftlich in Bedrängnis. Man nannte ihn später wegen seines krausen Haares wenig schmeichelhaft „Wasserhund“, weswegen Friedberg begann, eine Perücke zu tragen. Gerade die Äußerungen des zunächst in Bützow, später in Rostock tätigen Orientalist Oluf Gerhard Tychsen dürften ihr Übriges dazu beigetragen haben. Er berichtete später über Friedberg despektierlich, dass dieser nach einem Eisunfall nunmehr lahmte und auch seine Söhne missraten seien. Denn diese würden lieber Schlittschuh laufen, Traversflöte spielen und französische Romane lesen, als die jüdischen Schriften der Vorväter, ein Vorwurf, dessen Argumente geradezu grotesk erscheinen und zeigen, dass der eifrige Proselytenmacher Tychsen hier wohl eine rein persönliche Abneigung gegen ihn hegte.

Sein gesunkenes Ansehen war wohl auch der Grund dafür, dass er auf dem Judenlandtag von Schwaan im Jahr 1764 schließlich als Landesdeputierter abgewählt wurde. Auch finanziell muss er damals am Rande des Ruins gestanden haben, denn er bat im gleichen Jahr beim Herzog erfolgreich um Erlass seiner Schutzgeldzahlung, die mit vier Reichstalern ohnehin verhältnismäßig gering im Gegensatz zu anderen Schutzjuden war. Auf dem drei Jahre später in Crivitz stattfindenen Judenlandtag von 1767 war er jedoch wieder zugegen, abermals unter dem Namen Jochim Gumpertz, und führte die dortige Opposition an, die sich vor allem gegen die vormals in Schwaan gewählten Deputierten als Personen richtete. Ganz offensichtlich hatte er sich mit seiner Abwahl nicht abgefunden.

Chajim Friedberg verstarb zu einem unbekannten Zeitpunkt in Bützow und wurde sehr wahrscheinlich auf dem dortigen jüdischen Friedhof bestattet. Aufgrund seiner verschiedenen Ämter während der Judenlandtage nahm er eine zentrale Rolle während der Frühphase der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs ein und muss zumindest unter den Mecklenburger Juden landesweit bekannt gewesen sein.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 21.05.2016)
Quellen:

  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
  • Steinmann, Joachim: Juden in Bützow, Manuskript, Bützow 1989
  • Tychsen, Oluf Gerhard: Bützowische Nebenstunden, verschiedenen zur Morgenländischen Gelehrsamkeit gehörigen mehrentheils ungedruckten Sachen gewidmet, Theil 1-6, Müller, Bützow und Rostock 1766-1769