Sanitätsrat Dr. med. Bruno Joseph
(* 13. Dezember 1861 Pyritz, Pommern — † 10. Juni 1934 Ribnitz)
Sanitätsrat Dr. med Bruno Joseph (Kühl, Paul: Die Juden und ihre Einbürgerung in Ribnitz)
Der spätere Landarzt Sanitätsrat Dr. med Bruno Joseph wurde am 13. Dezember 1861 im Pommerischen Pyritz als Sohn des Joseph Joseph und seiner Ehefrau Friedrike geb. Loose geboren. Wie er nach Mecklenburg gelangte, ist derzeit unbekannt. Er heiratete jedenfalls am 6. Juli 1882 in Röbel die zehn Jahre jüngere Bertha Salomon, die einer alteingesessenen jüdischen Familie in Röbel entstammte. Ihr Vater Wolff Salomon war später ebenfalls in Ribnitz als Kaufmann tätig. Möglicherweise war Joseph deshalb zunächst bei seiner Ehefrau in Röbel ansässig.
Um 1886 muss sich Joseph mit seiner Ehefrau in Ribnitz niedergelassen haben. Die zwei Töchter der Eheleute, Helene und Annemarie, kamen hier 1893 und 1895 zur Welt. Im Jahr 1900 ließ er sich ein rotes Backsteinhaus unter der Adresse Lange Straße 48 errichten, in dem er mit seiner Familie wohnte und zunächst auch seine private Praxis als Allgemeinarzt betrieb, später dann in der Langen Straße 13. Insgesamt 48 Jahre lang betreute er seine Patienten in Ribnitz und Umgebung. Als Arzt war er gleichermaßen bekannt wie beliebt, da er auch bei Wind und Wetter den Weg auf das Land nicht scheute und gelegentlich keine Rechnungen für seine Dienste schrieb, wenn seine Patienten mal in einer Notlage waren.
Joseph war mit seiner Stadt Ribnitz eng verbunden und engagierte sich für diese. So war er lokalpolitisch aktiv: 1912 wurde er Bürgerschaftsvertreter, 1918 Bürgerworthalter und Stadtverordnetenvorsteher und blieb Letzteres bis 1927, als er aufgrund seiner stets politisch neutralen und ausgleichenden Haltung und dem Grundsatz, keiner Gruppierung anzugehören, in den damals politisch stürmischen Zeiten nicht mehr den notwendigen Rückhalt bekam und deswegen nicht wiedergewählt wurde. Er blieb jedoch noch bis 1930 ein Mitglied der Ribnitzer Stadtverordnetenversammlung. Er prägte damit die Geschicke seiner Stadt mit und war maßgeblich an der Aufsiedlung von Freudenberg, der Erweiterung der Kanalisation und der Entstehung des Wasserwerks beteiligt. Bis 1933 war Joseph auch Vorsteher der jüdischen Gemeinde von Ribnitz.
Josephs Ehefrau verstarb am 8. Januar 1933 in Ribnitz. Noch kurz vor seinem eigenen Tode wurde ihm aus „rassischen“ Gründen die Tätigkeit als Impfarzt untersagt. Er verstarb am 10. Juni 1934 in Ribnitz.
Den Töchtern Helene und Annemarie gelang es, den Holocaust zu überleben. Die ältere Tochter Helene heiratete später den Mathematiker Hermann Weyl und wurde eine geachtete Übersetzerin und Schriftstellerin. Schon kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialsten wanderte sie mit ihren Ehemann in die USA aus. Die jüngere Tochter Annemarie heiratete den nicht-jüdischen Arzt Dr. Ludwig Thron, der ab 1919 mit seinem Schwiegervater eine gemeinsame Arztpraxis betrieben hatte, und blieb in Ribnitz. Annemarie überlebte den Nationalsozialismus trotz zahlreicher Repressalien und war schließlich die letzte Einwohnerin jüdischer Abstammung in Ribnitz, bis sie Ende 1965 umzog. Als sie 1989 verstarb, wurde sie in ihrer Heimatstadt Ribnitz bestattet.
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 13.03.2016)
- http://www.ribnitz-damgarten.de/de/die-bernsteinstadt/stadtgeschichte/persoenlichkeiten/dr.-bruno-joseph-1861-1934
- https://de.wikipedia.org/wiki/Helene_Weyl
- Diekmann, Irene: Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998
- Kühl, Paul: Die Juden und ihre Einbürgerung in Ribnitz, Kapitel 30 der Geschichte der Stadt und des Klosters Ribnitz, BS-Verlag, Rostock 2004
- Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
- Rösel, Eleonore: Jüdisches Leben in Ribnitz und Umgebung, Kleine Schriftenreihe Regionalgeschichte, Heft 3, Scheunen-Verlag, Kükenshagen 1996