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Dr. med. Leopold Liebenthal

(* 26.05.1868 Bergen (Rügen) — † 30.11.1938 Wismar)

Der spätere Arzt Dr. med. Leopold Liebenthal kam am 26. Mai 1868 in Bergen auf Rügen als Sohn des ehemaligen Fürstenberger Schutzjuden Louis Liebenthal und seiner jüdischen Ehefrau, der vermutlich aus Stralsund stammenden Emma geb. Leopold, zur Welt. Er war später einer von insgesamt vier Brüdern, wuchs in Bergen auf und erhielt hier und später in Stralsund seine Schulausbildung.

Nach einer Gymnasial-Ergänzungsreifeprüfung in Kolberg/Kołobrzeg entschied er sich für ein Medizin-Studium, das er nach bestandener Medizinischer Staatsprüfung an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin 1894 abschloss. An der Universität Leipzig promovierte er im gleichen Jahr noch zum Dr. med. Im Anschluss ließ er sich am 25. Oktober 1894 in Wismar als praktischer Arzt nieder und eröffnete zunächst eine Praxis Hinter dem Rathaus 5. Nachdem er das Haus in der Altwismarstraße 21 (später die Altwismarstraße 10) erworben hatte, verlegte er die Praxis dorthin und wohnte auch dort.

Er erarbeitete sich sehr schnell den Respekt sowohl der christlichen als auch jüdischen Wismarer. So wurde er mehrfach zum Vertreter der kleinen jüdischen Gemeinschaft in Wismar gewählt und konnte 1895 der Wismarer Freimaurerloge beitreten. Seine spätere Wertschätzung verdiente er sich jedoch nicht wegen seiner fachlichen Qualifikation, sondern aufgrund seiner selbstlosen Hilfe vor allem in Bezug auf seine zahlreichen ärmeren Patienten. Es kam nicht selten vor, dass er bedürftigen Patienten keine Rechnung stellte oder notwendige Medikamente für diese selbst bezahlte. Nicht ohne Grund zählte er später zu den beliebtesten Allgemeinärzten in Wismar.

Liebenthal tat es später vielen seiner Glaubensbrüder in dieser Zeit gleich, die neben der nunmehr endlich vollendeten rechtlichen Gleichstellung als deutsche Staatsbürger auch ihre gesellschaftliche Akzeptanz in der Gesellschaft durch die Abkehr vom Judentum erreichen wollten. Er ließ sich am 10. August 1898 in St. Marien zu Wismar evangelisch-lutherisch taufen. Am 21. September 1899 heiratete er in Schwerin die sieben Jahre jüngere Auguste Maria Emilia Spohr, die einer im Rheinland ansässigen christlichen Familie entstammte. Beide schenkten später zwei Söhnen das Leben: Emil kam 1902 in Schwerin und Helmut 1907 in Wismar zur Welt. Beide wurden christlich erzogen.

Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus unterlag der Arzt trotzdem den rassistischen Repressalien gegen Juden. Nach mehreren Verhören durch die Gestapo wurde ihm die weitere Tätigkeit als Arzt verboten und er musste daraufhin seine Praxis schließen. Da Liebenthals Praxis bereits geschlossen worden war, entging er direkten Aktionen zur „Reichskristallnacht“, als jüdische Geschäfte in Wismar verwüstet wurden. Zumindest sein Sohn Helmut war jedoch am 10. November 1938 unter den jüdischen Männern, die von den nationalsozialistischen Sicherheitskräften in sogenannte „Schutzhaft“ genommen wurden, um sie zur Auswanderung zu bewegen. Durch die vergangenen Jahre der Verfolgung und die Vorgänge um den 9./10. November 1938 muss die Gesundheit Liebenthals bereits in starke Mitleidenschaft gezogen worden sein. Doch die am 29. November 1938 bei ihm durchgeführte „Vermögungssicherung“ wegen des Verdachtes auf Auswanderung muss diese endgültig ruiniert haben. Er verstarb nur einen Tag nach der Aktion am 30. November 1938 in Wismar an Herzversagen. Nur zwei Personen begleiteten offiziell die Kutsche, die seinen Sarg zum Wismarer Westfriedhof brachte. Viele ehemalige Patienten, es sollen Hunderte gewesen sein, ließen es sich jedoch nicht nehmen, zu dieser Zeit mehr oder weniger zufällig am Straßenrand zu stehen und ihm so doch noch die letzte Ehre zu erweisen.

Schon zu DDR-Zeiten wurde auf Beschluss des Rates der Stadt Wismar im Jahr 1961 eine Straße nach ihm benannt. Sie trägt bis heute seinen Namen. Nach der Wiedervereinigung wurde in der Altwismarstraße 10 zu Ehren Liebenthals eine Gedenktafel angebracht. 2008 erfolgte hier auch die Verlegung eines Stolpersteins. Ein Teil der hier dargestellten Fakten ist insbesondere ein Artikeln von Steffen Langusch und Detlef Schmidt und auch der durch die Projektgruppe Stolpersteine der Stadt Wismar durchgeführten Recherche zur Verlegung des Stolpersteins zu verdanken.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 12.11.2016)
Quellen:

  • Projektgruppe Stolpersteine der Stadt Wismar: Kurzbiografie Dr. med. Leopold Liebenthal
  • Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
  • Hoch, Hans G.: Meine Erinnerungen an Wismarer Bürger jüdischen Glaubens, Mitteilungsblatt der Altschülerschaft Wismar, Nr. 94 (Weihnachten 2000), S. 28–30
  • Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2008
  • Langusch, Steffen: Zur Geschichte der Juden in Wismar, Mitteilungsblatt der Altschülerschaft Wismar, Nr. 94 (Weihnachten 2000), S. 22–27
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
  • Schmidt, Detlef: Liebenthal kümmt ümmer..., Wismar-Zeitung: Informations- und Anzeigenblatt für die Hansestadt Wismar und Umgebung vom 22. Oktober 2015 (17/15), S. 8