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Else Hirsch

(* 29.07.1889 Bützow — † 1944 Auschwitz)

Else Hirsch kam am 29. Juli 1889 als Tochter des jüdischen Kaufmanns Hugo Hirsch und seiner Ehefrau Jenny geb. Löwenthal in Bützow zur Welt. Beide Eltern entstammten alteingesessenen und weit verzweigten jüdischen Familien des Ortes. Von Ostern 1896 bis 1906 besuchte Else die Hoffmann’sche höhere Mädchenschule in Bützow, im Anschluss das Scharenberg’sche Seminar in Schwerin, um eine Lehrerlaufbahn einzuschlagen. Hier bestand sie im November 1908 vor der Großherzoglich-Mecklenburgischen Prüfungskommission das Examen für höhere Schulen und konnte danach von Ostern 1909 bis 1911 an der höheren Privat-Knaben-und Mädchenschule in Gosslershausen in Westpreußen und im Anschluss an der höheren Privatmädchenschule in Lautenburg in Westpreußen unterrichten. Ostern 1917 wurde sie nach der Vereinigung dieser Schule mit der örtlichen Volksschule zur städtischen Mittelschule fest angestellt.

Nachdem Teile Westpreußens nach dem Ersten Weltkrieg Polen zugeschlagen worden waren, verließ sie Lautenburg im Januar 1920 in Richtung Berlin und musste sich zunächst mit Privatstunden oder Bürodiensten für das Fürsorgeamt ihren Lebensunterhalt verdienen, bis im September 1926 ihr das Fürsorgeamt eine Stelle an der Israelitischen Volksschule in Bochum zuwies. Ab dem 1. April 1927 war sie dann als Lehrerin dort beschäftigt. Obwohl ihre Ausbildung ihr die Tätigkeit an einem Gymnasium erlaubt hätte, übernahm sie ihre Funktion an der Volksschule mit Elan und Herzblut und eroberte so schnell die Herzen ihrer Schüler und den Respekt ihrer Kollegen und der Eltern.

Sie selbst war bis zu diesem Zeitpunkt ledig geblieben und wohnte nach ihrem Umzug von Berlin nach Bochum ab da mit ihrer Mutter in einem gemeinsamen Haushalt, zunächst in der Kanalstraße (heute Nordring) 15, später in der Hausnummer 65. Else, die vier Sprachen sprach, gab privat zusätzlich Englisch- und Hebräischunterricht und engagierte sich im Jüdischen Frauenverein. Auch nachdem ihre Mutter 1931 verstorben war, blieb sie ledig.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begannen auch in Bochum die üblichen Repressalien gegenüber den jüdischen Einwohnern, insbesondere wurde der Israelitischen Volksschule und deren Mitarbeitern das Leben schwer gemacht, obwohl das spätere Berufsverbot für Juden noch nicht in Kraft getreten war. Viele Bochumer Juden erkannten die drohenden Gefahr und nahmen vor ihrer Ausreise Sprachunterricht bei Else Hirsch. Im Juni 1938 reiste Else selbst nach Palästina, um in Erfahrung zu bringen, wie sie ihre Kinder besser auf das Exil vorbereiten konnte. Sie kehrte nach Deutschland zurück, da sie ihre Heimat nicht verlassen wollte. Nach der „Reichskristallnacht“ am 9./10. November, bei der das Schulgebäude zwar selbst nicht zerstört worden war, schloss das Schulamt die Israelitische Volksschule. Else Hirsch, die aufgrund der nationalsozialistischen Gesetzesregelungen als Lehrerin schon zuvor entlassen worden war, kämpfte als letzte in Bochum verbliebene jüdische Lehrerin dennoch für eine erneute Öffnung der Schule. Anfang 1939 wurde ihr erlaubt, die bisherige Lehranstalt als Privatschule fortzuführen. Da viele Bochumer Familien bereits emigriert waren, unterrichtete sie dann nur noch etwa 24 Schüler.

Ihren wohl wichtigsten Beitrag für das Überleben ihrer Schüler leistete sie jedoch danach. Von Ende 1938 bis August 1939 organisierte sie in Bochum die später berühmt gewordenen Kindertransporte nach Holland und England, wobei sie sämtliche Beantragungen für Visa und sonstige Papiere gegenüber in- und ausländischen Behörden und die Besorgung von Fahrkarten für ihre Schützlinge übernahm. Nicht wenige jüdische Familien der Nachkriegszeit verdanken ihr Überleben dem Einsatz der Else Hirsch.

Ob Else in dieser Zeit doch noch ihre eigene Flucht eingeplant hatte, ist ungeklärt. Die Grenzschließungen nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 hätte diese ohnehin zunichte gemacht. Danach musste sie das Schicksal vieler Opfer des Holocaust teilen. Sie musste in ein Judenhaus ziehen, in denen üblicherweise die Juden eines Ortes zusammengepfercht wurden. Hatte sie auch danach noch Halt durch ihre Tätigkeit als Lehrerin, so wurde ihr auch das genommen, als 1940 ihre Privatschule geschlossen wurde. Am 27. Januar 1942 wurde sie mit anderen Bochumer Juden deportiert, wie lange Zeit vermutet wurde in das Ghetto Riga. In Wirklichkeit jedoch endete sie wie viele andere in Auschwitz, wo sie 1944 ermordet wurde. Heute erinnert ein Stolperstein und die Else-Hirsch-Straße in Bochum an ihr Schicksal.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 29.05.2016)
Quellen:

  • http://sunday-news.wider-des-vergessens.de/?p=11371
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Else_Hirsch
  • Kreuzer, Christian: Die Lehrerin Else Hirsch und Bochums israelitische Schule in den Judenverfolgungen des Dritten Reiches, Ein Beitrag zum „Bochumer Bürgerbuch für die Opfer der NS-Zeit“ im Rahmen des Projektes „Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Gunter Demnig und des Stadtarchivs Bochum, Online-Manuskript, Bochum 2006
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)