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Jüdischer Friedhof Sternberg

Region: Ludwigslust-Parchim
Adresse: Sternberg
Erhaltung: Friedhofsgelände ohne Grabbestand als Mahnmal

Geschichte des Friedhofs

Der ehemalige jüdische Friedhof von Sternberg ist heute nur noch in Form seines ehemaligen Grundstücks als Mahnmal erhalten.

Es wird vermutet, dass bereits zu Zeiten der Hostienschändung, also im 15. Jahrhundert, ein jüdischer Friedhof in Sternberg bestanden haben könnte, möglicherweise in der Nähe des später als Judenberg bekannt gewordenen Hügels außerhalb der Stadt vor dem Luckower Tor.

Es existieren jedoch keinerlei Hinweise darauf. Ebenso unbekannt ist, wo die Sternberger Juden seit ihrer Neuansiedlung ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ihre Toten bestattet haben.

Der einzige historisch belegbare Begräbnisplatz der Juden von Sternberg ist der auch heute bekannte, westlich der Stadt zwischen dem Judenberg und dem Luckower See auf einem flachen Hügel gelegene Friedhof, der von seiner Errichtung im Jahre 1825 bis zur letzten Bestattung im Jahr 1937 und seinem Verkauf im Jahr 1944, also insgesamt über einen Zeitraum von 112 Jahren genutzt wurde.

Belegt ist, dass die Israelitische Gemeinde schon im Jahre 1824 mit dem Wunsch der Errichtung eines Gottesackers für die Juden an den Sternberger Magistrat herangetreten ist. Die Stadt kam dem nach und so wurde am 17. oder 21. Januar 1825 ein entsprechender Erbpachtvertrag abgeschlossen. Als Gegenleistung hatte die Israelitische Gemeinde jeweils zu Martini einen jährlichen Erbpachtzins von einem Reichstaler und 24 Schillingen N 2/3 zu entrichten.

Schon im Jahre 1859 wurde der Friedhof das Ziel eindeutig antisemitischer Umtriebe. Wie der damals sichtlich getroffene Vorsteher der Gemeinde Samuel Rosenbaum am 21. März 1859 gegenüber dem Magistrat berichtete, wurden von „ruchloser Hand” der erst gesetzte Grabstein für die Witwe David (vermutlich Fromme David geb. Salomon, die 1857 verstorben war) beschädigt, andere Steine beschmutzt und mit anstößigen Inschriften, wie „Jude Itzing”, versehen. Ein Täter konnte anschließend nicht ermittelt werden.

In den Folgejahren wurde der Friedhof nur noch sporadisch aktenkundig. So entstand im Jahre 1887 die heutige Form des Friedhofshügels, als für die Verlegung einer neuen Bahnstrecke eine Schneise durch den östlichen Ausläufer des Judenberges gegraben und erst dadurch der Friedhof vom restlichen Berg abgetrennt wurde.

Der Israelitische Oberrat begann ab ca. 1913 damit, zu kleine Gemeinden zusammen- oder größeren Gemeinden anzuschließen. Wie auch schon beim versuchten Verkauf der Synagoge waren die verbliebenen Gemeindemitglieder verständlicherweise gegen einen Verkauf des Friedhofs und konnten den Verkauf 1913 und nochmals 1924 verhindern.

Nach der offiziellen Auflösung der Israelitischen Gemeinde 1924 wurde es still um den Friedhof und es scheint so, als ob die Gemeindemitglieder ihren Friedhof unbehelligt von Einschränkungen weiter besuchen und pflegen durften, und dies sogar noch über die Machtergreifung Hitlers 1933 hinaus. Bis 1937 blieb der Friedhof zunächst unbehelligt und so konnte dann in diesem Jahr auch die letzte Bestattung auf dem Friedhof in Sternberg erfolgen. Der Händler Hermann Kychenthal, einer der letzten drei verbliebenen jüdischen Sternberger, verstarb am 23. August 1937 und wurde nachts beerdigt, nur von einigen Sternbergern begleitet.

Zur sogenannten „Reichskristallnacht“ wurde der jüdische Friedhof mündlichen Überlieferungen in Sternberg zufolge ein Ziel der Verwüstung. Dabei sollen fast alle Grabsteine umgeworfen oder zerbrochen worden sein. Wie viele Grabsteine letztlich zerstört wurden, ist nicht mehr zu klären. Nach Befragungen in Sternberg sollen um die Jahrhundertwende ca. 30 – 40 Grabplatten auf dem Friedhof vorhanden gewesen sein. Auch wenn aus den Akten nicht mehr genau nachvollziehbar ist, wie es dazu kam, stand spätestens 1944 der jüdische Friedhof unter der Verfügungsgewalt der Reichsfinanzverwaltung. Mit Kaufvertrag vom 20. Mai 1944 wurde das Grundstück zu einem Preis von 100 RM an die Stadt veräußert, welcher durch die Löschung des grundbuchlich gesicherten Erbzinzes zugunsten der Stadt beglichen wurde.

Im Jahr 1948 wurde das Grundstück an die Jüdische Landesgemeinde zurückgegeben. 1992 wurde der Friedhof aus Anlass des 500jährigen Jubiläums der Hostienschändung von 1492 nochmals als Gedenkstätte hergerichtet und eine Gedenktafel am Eingang des Friedhofs angebracht. Heute wird die Gedenkstätte durch die Stadt Sternberg gepflegt.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 21.09.2015)
Quellen:

  • Central Archives for the History of the Jewish People Jerusalem: Sternberg S 289/3, Diverse Schreiben an die Gemeinde.
  • Centrum Judaicum Berlin: Sternberg 1,75 A St 2 Nr. 7906-7919.
  • Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia: Die jüdische Geschichte der Stadt Sternberg (Mecklenburg), Verlag tredition, Hamburg 2015
  • Heimatmuseum Sternberg: Konvolut zu den jüdischen Einwohnern Sternbergs.
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 10.72-3/1, Nr. 397; Nr. 400.
  • Leo Baeck Institute New York: AR 25165, Eva Abraham-Podietz Family Collection, 1767–2004, Box 1, Folder 5.
  • Stadtarchiv Sternberg: Jüdische Gemeinde, Unordnung und Warntafel auf dem Friedhof 1859, Registratur Nr. 383; Jüdische Gemeinde, Jüdischer Friedhof 1903, 1904, 1907, 1908, 1919, 1924; Lfd. Nr. 4, Kirchen und Religionswesen, Jüdische Gemeinde 1944–1947; Jüdische Gemeinde, Anfrage Gauamt 1935.