Jüdischer Friedhof Gnoien

Region: Rostock
Adresse: Gnoien, Bobbiner Chaussee
Erhaltung: zerstört

Geschichte des Friedhofs

Über einen jüdischen Friedhof in der Stadt Gnoien während der Zeit der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs ist derzeit nichts bekannt. Die später in Gnoien existierende jüdische Friedhof wurde erst in der Zeit nach der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs auf einem kleinen Hügel außerhalb der Stadt in östlicher Richtung an der heutigen Bobbiner Chaussee angelegt. Über den genauen Zeitpunkt gibt es jedoch nur vage und widersprüchliche Angaben, so dass dafür ein Zeitraum vom Ende des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts in Frage kommt. Ob der jüdische Friedhof im Eigentum der jüdischen Gemeinde Gnoien stand oder nur gegen Zahlung eines jährlichen Kanons von der Stadt überlassen worden war, ist ebenso unklar.

Als im Jahre 1920 das Gnoiener Synagogengebäude verkauft werden musste, diente der daraus erzielte Erlös der Pflege des Friedhofs. Als am 17. März 1921 der Israelitische Oberrat einstimmig die Auflösung der Gemeinde Gnoien beschloss, befand sich der Friedhof im Eigentum der jüdischen Gemeinde und es war noch ein Leichenwagen vorhanden. Patron und Vorstand wollten das Gemeindevermögen zur Errichtung einer Stiftung verwenden, der auch der Friedhof und der Leichenwagen übereignet werden sollte. Das Ministerium für Unterricht, Kunst und geistige Angelegenheiten sprach sich jedoch gegen die Stiftung aus und bevorzugte die Übereignung des Gemeindevermögens an die Israelitische Landesgemeinde, damit diese es für die Pflege des Friedhofes und für den Religionsunterricht der Kinder verwenden sollte. Im Rahmen der Auflösungsverhandlungen wurde der Friedhof durch den Landesrabbiner Dr. Silberstein als Vertreter der Israelitischen Landesgemeinde der Stadt für 300 Mark zum Kauf angeboten, wozu es aber nicht kam. Am 26. Juni 1922 war grundbuchlich eingetragene Eigentümerin jedenfalls die Israelitische Landesgemeinde. Als das Ministerium am 10. April 1923 die Gemeinde offiziell auflöste, wurde das Vermögen wie geplant der Israelitischen Landesgemeinde überwiesen, wohingegen der Leichenwagen in der Obhut der Gemeinde Gnoien verblieb.

Im Jahr 1923 kam es aus unbekannten Gründen zu Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Eigentümerschaft des Friedhofs, als am 7. Juni 1923 ein Versicherungsbetrag in Höhe von 301 Mark für die Leichenwagenhalle fällig wurden und welche der Israelitische Landesgemeinde in Rechnung gestellt wurden. Am 14. Juni 1923 schrieb diese an den Rat der Stadt Gnoien, dass der Friedhof Eigentum der Stadt und die Versicherung daher von der Stadt Gnoien zu zahlen sei. Nach diversen Schriftwechsel, ob es denn überhaupt einen Leichenwagen und Halle gäbe, erklärte der Rat der Stadt Gnoien, dass in ihren Augen die Leichenwagenhalle Bestandteil des Friedhofes und die Israelitische Landesgemeinde Rechtsnachfolger sei. Im Februar 1924 meldete der Rat der Stadt Gnoien eine Kaninchenplage auf dem Friedhof und forderte die Israelitische Landesgemeinde auf, als Eigentümer tätig zu werden. Diese teilte jedoch lapidar mit, nicht Eigentümer des Friedhofes zu sein und deshalb auch nicht tätig werden zu müssen. Letztlich bleibt aber unklar, weshalb es diese unterschiedlichen Auffassung zur Eigentümerschaft gab.

Auch wenn der Friedhof bereits in den 1920er Jahren wohl in keinem guten Zustand war, wurden noch Bestattungen vorgenommen. Die letzte Beerdigung erfolgte dann im Jahr 1925. Wie viele andere jüdische Friedhöfe in Mecklenburg wurde auch der Gnoiener Friedhof Ziel von Zerstörungen. So wurden am 3. März 1926 drei Gräber geschändet und im gleichen Monat auch der Leichenwagen in der Feierhalle des Friedhofs zertrümmert. Im November 1926 kam es nochmals zu einer Schändung, als mehrere Grabsteine umgeworfen worden waren. Die Schändungen setzten sich auch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten fort, so 1934 und 1938, vermutlich zur „Reichskristallnacht“.

Für die Stadt selbst stellte der Friedhof einen „Schandfleck“, weswegen sie 1937 bei der NSDAP Gauleitung Mecklenburg-Lübeck, Amt für Kommunalpolitik, die Einebnung des Friedhofs beantragte. Zu dem Zeitpunkt befanden sich noch 37 erkennbare Gräber auf dem Begräbnisplatz, wovon 32 Gräber verwahrlost und fünf in Ordnung gehalten wurden. Als Begründung führte sie an, dass es zu Klagen anliegender Gartenbesitzer gekommen war, da sich außerordentlich viele Kaninchen dort angesiedelt hätten. Nur aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten zwischen der NSdAP und den Finanzämtern bei der Frage, ob und wem die Verfügungsgewalt über die jüdischen Friedhöfe im Lande zustände und wie man dieser notfalls habhaft werden könnte, kam es trotz mehrfachem Drängens seitens der Stadt bis zum Kriegsende nicht zur Einebnung. Später sollen Grabsteine des Friedhofs zur Befestigung eines Bachufers in der Kleingartenanlage und sogar als Brücken über den Bach verwendet worden sein. Die Steine sind in den Folgejahren aber abhanden gekommen.

Trotzdem sollen bis 1955 noch Gräber zu erkennen und Grabsteinfragmente auf dem jüdischen Friedhof vorhanden gewesen sein. Das Gelände wurde ab den 1960er Jahren landwirtschaftlich genutzt und später darauf eine Kleingartenanlage errichtet. 1970 ließ die Jüdische Landesgemeinde Mecklenburg auf dem städtischen Friedhof eine kleine Gedenkstätte herrichten, wobei ein Findling mit Inschrift als Gedenkstein aufgestellt wurde. Selbst nach der Wiedervereinigung sollen sich auf dem Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhofs noch Bruchstücke zweier Grabplatten befunden haben, die heute aber nicht mehr vorhanden sind.

-----
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 19.04.2017)
Quellen:

  • Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
  • Borchert, Jürgen / Klose, Detlef: Was blieb... Jüdische Spuren in Mecklenburg, Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin 1994
  • Brocke, Michael / Ruthenberg, Eckehart / Schulenburg, Kai Uwe: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Institut Kirche und Judentum, Berlin 1994
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 5.12-7/12, Nr. 54 (Regierungskommissar beim Israelitischen Oberrat)
  • Stadtarchiv Ludwigslust: Sig. 1/119, Schreiben der NSDAP Gauleitung Mecklenburg-Lübeck, Amt für Kommunalpolitik, vom 22. April 1937 an Bürgermeister Müller in Ludwigslust