Jüdischer Friedhof Neubrandenburg

Region: Mecklenburgische Seenplatte
Adresse: Neubrandenburg, nordwestlich der Kreuzung Woldegker Straße/Feldstraße (früher Scheunenstraße), danach Katharinenstraße (Grabsteine heute in der Poststraße)
Erhaltung: mehrfach umgebettet und zerstört
Erfasste Gräber, Grab- und Gedenksteine: 86

Geschichte des Friedhofs

Über einen jüdischen Friedhof in Neubrandenburg während der Phase der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs ist nichts bekannt. Nach der jüdischen Neuansiedlung in Mecklenburg gehörten die hiesigen Juden zunächst bis 1864 der Israelitischen Gemeinde in Alt-Strelitz an und mussten deshalb ihre Toten auf dem dortigen Friedhofs bestatten. Der Antrags auf Bildung einer eigenen Gemeinde in Neubrandenburg im Jahr 1861 war gleichzeitig auch mit dem verständlichen Wunsch nach einem Begräbnisplatz in Neubrandenburg verbunden. Diesem wurde erst 1864 statt gegeben. Am 14. Dezember 1864 schloss dann einer der beiden Vorsteher, Meier Löwenhaupt, im Namen der neu gebildeten Gemeinde mit der Stadt einen Erbpachtvertrag über ein östlich des Stadtzentrums an der Scheunenstraße (heute Woldegker Straße) gelegenen und 60 Quadratruten (ca. 850 qm) großes Grundstück „auf den damaligen Altermannes-Hieden“ in unmittelbarer Nähe des ehemaligen evangelischen Friedhofes. Um das Grundstück herzurichten und mit einer Mauer zu umgeben, erfolgte durch jedes Gemeindemitglied eine Spende. Der fehlende Betrag wurde durch eine Anleihe abgedeckt, so dass Anfang September 1865 die umgebende Mauer für 600 Taler errichtet werden konnte. Die Gemeindemitglieder Meier Löwenhaupt und Paul Stavenhagen stifteten zusätzlich zum Schmuck der Torpfeiler zwei Marmortafeln mit Inschriften. Louis Löwenhaupt aus Hamburg spendete zusätzlich noch das Geld für die Anschaffung zweier vergoldeter Davidsterne, die ebenfalls an den Pfeilern angebracht wurden. Offiziell eingeweiht wurde der jüdische Friedhof jedoch erst anlässlich der ersten Bestattung des siebenjährigen Max Löwenhaupt am 14. Januar 1866 durch den Landesrabbiner Dr. Jacob Hamburger.

Ein Leichenwagen wurde in der Folgezeit zunächst jeweils von der jüdischen Gemeinde Penzlin ausgeliehen. Erst 1879 konnte ein eigener Leichenwagen in Auftrag gegeben werden, der im gleichen Jahr für 600 Mark vom Sattler Boll gebaut wurde. Dieser stellte ihn zu einer jährlichen Miete von 36 Mark zunächst in seiner eigenen Remise unter. 1887 wurde für den Leichenwagen unmittelbar an der Friedhofsmauer ein kleines Gebäude errichtet, das zuvor für 900 Mark beim Maurermeister Fehmer in Auftrag gegeben worden war.

Im Jahr 1900 wurde der Friedhof erweitert, so dass das Grundstück Nr. 1305 laut eines Aufmaßes von 1902 eine Gesamtgröße von etwa 1300 qm hatte. Die heute noch vorhandenen 19 Grabsteine belegen Bestattungen der Familien Ahrendt, Ahrensdorf, Bachrach, Bock, Burchard, Cohn, Eliasowitz, Emanuel, Heine, Heymann, Jacob, Keibel, Marcus, Michelsberg, Müller, Müllerheim, Pommer, Portheim, Robert, Rubensohn, Tachau, Tumbowsky und Wolff. Ein Gräberverzeichnis im Landeshauptarchiv führt darüber hinaus noch weitere Bestattungen von Personen mit Bezug zu den Familien Abraham, Barsdorf, Callmann, Elkan, Havelburg, Itzig, Joseph, Lentschinsky, Löwenhaupt, Rosenberg, Sanders, Simonsohn, Solmar, Stavenhagen und Wronker, die sowohl aus Neubrandenburg als auch aus Stargard und Woldegk stammten. Die noch vorhandenen Grabsteine und die Gräberliste zusammen beweisen damit, dass es auf dem jüdischen Friedhof Neubrandenburg jedenfalls über 80 Bestattungen gegeben hat. Vermutungen zufolge könnten es jedoch etwa 100 Gräber gewesen sein. Die letzte Bestattung scheint aus dem Jahr 1940 zu stammen.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der jüdische Friedhof wie auch die Synagoge zur Reichtskristallnacht am 9./10. November 1938 geschändet. Die Friedhofskapelle und die Remise mit dem Leichenwagen fielen einem vorsätzlich gelegten Brand zum Opfer. Noch im November 1938 beschloss der Neubrandenburger Magistrat die Verlegung des jüdischen Friedhofs. Unter Zwang musste der damalige Vorsteher Isidor Heine am 6. Mai 1940 einen Vertrag auf Verzicht des für das Grundstück bestehende Erbpachtrecht abschließen. Die eigentliche Umbettung des Friedhofs erfolgte 1941, allerdings nur bei Gräbern, deren Liegezeit noch nicht abgelaufen war. Insgesamt 35 Gräber wurden geöffnet und deren Inhalt auf den Alten Friedhof an der Katharinenstraße umgebettet. Die Gebeine der restlichen Gräber dürften im Boden verblieben sein, als die Fläche des Friedhofs beräumt und anschließend eine Militärbaracke darauf errichtet wurde. Nach der Umbettung scheinen am neuen Standort wohl noch insgesamt 31 jüdische Grabsteine die Umbettung zunächst überstanden zu haben.

1949 übernahm die Stadt die Pflege der Gräber, deren Liegezeit noch nicht abgelaufen war. 1964 plante man jedoch auf einem Teil des Geländes des evangelischen Friedhofs die Errichtung von Hochhäusern. Im Rahmen dessen sollte nun der jüdische Friedhof mit einem Teil des evangelischen Friedhofes erneut umgebettet werden. Trotz Protestes der Jüdische Landesgemeinde Mecklenburg wurden nun bis Dezember 1964 26 jüdische Gräber in eine gemeinsames Grab im südwestlichen Bereich des Alten Friedhofs umgebettet und auf Kosten der Jüdischen Landesgemeinde als Gedenkstätte umgestaltet. Diese wurde in den folgenden Jahren immer wieder zum Ziel von Zerstörungen, die allerdings nicht nur die jüdischen Gräber betrafen. 1974 wurde die Gedenkstätte deshalb auf Weisung der Stadt wieder beseitigt. Die Grabsteine wurde am 5. März 1974 an den Steinmetz Richard Dassow zur Aufbewahrung übergeben. Noch im gleichen Jahr überbaute man ein Teil des Grundstückes mit dem Verlags- und Druckereigebäude der Zeitung „Freie Erde“. Doch selbst danach war den Toten immer noch keine Ruhe vergönnt. Als in den Jahren 1987 bis 1989 auf dem Bereich des Alten Friedhofes und der Katharinenstraße das sogenannte Katharinenviertel errichtet wurde, verbrachte man die Gebeine des jüdischen Sammelgrabs an einen unbekannten Ort. Bis heute ist nicht klar, was mit diesen geschehen ist.

Nach der Wiedervereinigung wurden zumindest die noch verbliebenen 19 Grabsteine von der Stadt übernommen und im Jahr 2008 Teil der neuen Gedenkstätte, die auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge in der Poststraße eingerichtet wurde. Einer der Grabsteine befindet sich heute im Museum der Stadt.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 27.02.2016)
Quellen: