Brüel
Zur jüdischen Geschichte von Brüel
Ob und ab wann Juden in der ersten Ansiedlungsphase in Brüel lebten, ist mangels überlieferter Hinweise nicht mehr zu klären. Der Beginn der jüdischen Geschichte Brüels während der Neuansiedlungsphase ist ungesichert. Möglicherweise lebten bereits vor 1751 in Brüel Juden, da ein Levin Wulff, der spätere Bützower Schutzjude Wolff Stern, nach dem Seelenbuch von Bützow in diesem Jahr in Brüel geboren worden sein soll.
Der erste wirkliche Nachweis von Juden gelingt erst mit den Dokumenten des Brüeler Stadtarchivs: Danach hatte eine aus Landsberg an der Warthe stammende und unverheiratete Jüdin namens Ester Hirsch (Hiertz) am 12. Februar 1753 einen Antrag auf Privilegerteilung zum Handel mit Kramwaren für Brüel gestellt. Diesen hatte sie gemeinsam mit ihrem namentlich unbekannten zukünftigen Ehemann abgegeben, der ebenfalls nicht aus Brüel stammte. Dem Antrag wurde am 27. November 1753 stattgegeben, so dass beide sich hier ansiedelten, jedoch nicht für lange. Ihr Mann verstarb 1760, woraufhin sie später ins Brandenburgische einheiratete und wegzog. Im gleichen Jahr siedelten sich weitere Schutzjuden, Joseph Moses und Marcus Moses, in Brüel an. Ihnen folgten noch weitere, so dass um 1762 offiziell mindestens fünf Schutzjuden wohnten. Auch der Bützower Rabbiner Chajim Friedberg belegte für das Jahr 1766 die Existenz von Juden in Brüel. Während des Zeitraum 1783 bis 1785 kamen weitere Schutzjuden hinzu, so dass um 1813 insgesamt sieben oder acht Schutzjuden mit ihren Familien in Brüel ansässig waren und sich mit den hier geborenen Nachkommen die jüdische Bevölkerung deutlich vergrößerte. Erst ab diesem Zeitraum kann man deshalb in Brüel von einer jüdischen Gemeinde sprechen.
Die im Rahmen des Emanzipationsedikts geforderte Annahme von erblichen Familiennamen durch die Mecklenburger Juden erfolgte in Brüel am 15. Mai 1813. Eine später vom Landesrabbiner Dr. Siegfried Silberstein durchgeführte Rekonstruktion der Meldelisten scheint ihm für Brüel nicht gelungen zu sein. Aus den noch vorhandenen Unterlagen dürften jedoch zumindest folgende Familiennamen hier angenommen worden sein: Ahrenfeldt, Crull, Jacobsen, Franck/Frank, Levin. Alle später hier zusätzlich noch bekannt gewordenen Familiennamen, wie z. B. Herzfeld, Löwenhelm, Lichenheim, Cohnheim, Louis und Ladewig, sind über andere Städte, Krakow am See, Crivitz und Dargun, gemeldet worden. 1833 sind für Brüel 48 Juden belegt.
Am 25. Februar 1848 wurde auch für Brüel eine landesherrliche Gemeindeordnung für die Israeliten erlassen. Um diese Zeit war auch zahlenmäßig die Höchstphase der jüdischen Einwohner in Brüel. Sie stellten hier 5 % der Einwohnerschaft, womit Brüel zu den Städten mit dem höchsten Anteil an jüdischen Einwohnern zu zählen ist.
Eine eigene Synagoge kann für Brüel nicht nachgewiesen werden. Es wurden jedoch mit zeitlichen Unterbrechungen jeweils unterschiedliche synagogale Beträume angemietet. Seit wann der weit vor den Toren der Stadt gelegene jüdische Friedhof von Brüel genutzt wurde, ist unbekannt, jedoch muss er seit mindestens 1820 bestanden haben. Offiziell ging das Gelände erst 1844 in das Eigentum der Israelitischen Gemeinde über.
Wie in vielen anderen Landstädten Mecklenburgs auch, setzte mit Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein verstärkter Wegzug aus Brüel ein, so dass 1913 letztlich nur noch eine Person jüdischen Glaubens in Brüel ansässig war: der Prokurist Georg Hamburger, der selbst erst spät hier mit seiner Familie zugezogen war und 1919 nach Schwerin wieder verzog. Am 30. August 1913 wurde die Israelitische Gemeinde von Brüel offiziell aufgelöst und der Friedhof 1915 an die Stadt verkauft.
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 20.09.2015)
- Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia: Die Juden von Brüel: Rekonstruktion einer Gemeinde, Cardamina-Verlag, Plaidt 2013
- Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12-4/5, Nr. 641, Judenangelegenheiten
Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Brüel
Familien mit Bezug zu Brüel
Aaron, Ahrenfeldt, Ahronson, Baer, Blumenthal, Casper, Cohnheim, Crull/Krull, Frank, Fränkel, Hamburger, Herzfeld, Jacob/Jacobs, Jacobsen, Joel, Kalisky, Ladewig, Lehmann, Levin/Levy, Lichenheim, Louis, Lychenheim, Löwenheim, Löwenhelm, Meier, Meinungen, Michael, Philippson, Pries, Salomon, Siemon, Simonson, Stern, Waldheim, Weil, Wolff
Persönlichkeiten
Bekannte Holocaust-Opfer (5)
- Martha Ladewig
- Käthe Ladewig
- Walter Ladewig
- Albert Louis
- Meta Louis geb. Joel
Veröffentlichungen zu den Juden von Brüel
Publikationen
- Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
- Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
- Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen
- Borchert, Jürgen / Klose, Detlef: Was blieb... Jüdische Spuren in Mecklenburg
- Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren
- Gramenz, Jürgen: Ladewig: Dokumentation eines jüdischen Familienverbandes aus Mecklenburg
- Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia: Die Juden von Brüel: Rekonstruktion einer Gemeinde
- Morisse, Heiko: Über die aus Warin in Mecklenburg stammende Familie Friedrichs
In: Liskor - Erinnern: Magazin der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e. V., 1. Jahrgang, November 2016, Nr. 004, S. 20-29 - Voß, Gerhard: Jüdische Friedhöfe in Mecklenburg – eine Bestandsaufnahme
In: Studienhefte zur Mecklenburgischen Kirchengeschichte, Heft 1 (1993), S. 5-15
Dokumente mit Bezug zu den Juden von Brüel
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Beschreibung | Zeitpunkt/Zeitraum | Typ |
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Auszug aller privilegirten Juden und was selbige Laut der, mittelst Herzoglich Verordnung vom 20. Septbr. 1760 Communicirten Specification An Schutz-Geld Zur Herzoglich. Renterey von Anno 1749 bis zum Termino Trinitatis 1760 bezahlet haben, und darauf nach infinuation gedachter Specification, nemlich den 1ten Octobr. 1760 Restiren. | 1749-1760 | Transkript |
Gemeindeordnung der Israelitischen Gemeinde von Brüel vom 25. Februar 1848 | 25. Februar 1848 | Transkript |
General-Verzeichniß der in den Städten des Großherzogthums Mecklenburg Schwerin privilegirten sämmtlichen Schutz-Juden | 3. Januar 1825 | Transkript |
Liste der Gemeindevorsteher, Rechnungsführer und Patrone von Brüel | 1780-1913 | Zusammenfassung |
Liste der Religionslehrer und Kultusbeamten von Brüel | 1780-1913 | Zusammenfassung |
Schutzjudenlisten für das Jahr 1824 für Bützow, Brüel, Crivitz und Goldberg | 1824 | Transkript |