Schönberg
Zur jüdischen Geschichte von Schönberg
Die heutige Mecklenburger Stadt Schönberg gehörte nach dem 30jährigen Krieg zunächst zum Fürstentum Ratzeburg, das 1701 zu Mecklenburg-Strelitz kam. Das Stadtrecht erhielt Schönberg allerdings erst im Jahr 1822, doch schon in wesentlich früheren Zeiten hatten sich hier Handwerker und Händler angesiedelt, weil der Ort aufgrund der hier befindlichen bischöflichen Residenz schon im Mittelalter zum wirtschaftlichen Mittelpunkt des Bistums Ratzeburg wurde. Die Bedeutung des Ortes scheint auch der Grund dafür gewesen zu sein, dass sich hier im 18. Jahrhundert Juden niederlassen durften, obwohl es sich damals noch um keine Stadt handelte.
Im Gegensatz zu früheren Aussagen ist heute die Anwesenheit von jüdischen Einwohnern in Schönberg spätestens ab der Mitte des 18. Jahrhunderts belegbar. Der geschätzte Rehnaer Lehrer Klaus Bollensdorf, der mit seinen „Rehnaer Miniaturen“ für die jüdische Geschichte von Rehna viel getan hatte, irrte sich daher, als er dort behauptete, dass es im nahen Schönberg nie Juden gegen haben soll. Noch 1994 ging man in der Schönberger Stadtchronik davon aus.
Die Nachweise für Schutzjuden in Schönberg fallen jedoch spärlich aus. Der derzeit erste nachweisbare Schutzjude in Schönberg nach der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs dürfte in Mann namens Philipp oder Phylipp Samuel gewesen sein, 1747 als solcher einen Antrag für vier andere Juden zum Aufenthaltsrecht in Schönberg mit Handelskonzession für Ratzeburg beantragt hatte und selbst der Schwiegersohn eines Marcus Mendel gewesen sein soll. Bei Letzterem ist allerdings nicht klar, ob dieser auch in Schönberg ansässig war.
In der landesweiten Steuerliste aus dem Jahr 1760, die für den Zeitraum von 1749 bis 1760 alle Mecklenburger Schutzjuden aufführte, taucht Schönberg nicht einmal als Ort auf, was allerdings auch mit der verwaltungstechnischen Zugehörigkeit Schönbergs zum Fürstentum Ratzeburg zusammengehangen haben kann. Dennoch gibt es für diesen frühen Zeitraum andere Nachweise für jüdische Einwohner. 1768 tritt in Schönberg ein Marcus Levin in Erscheinung, der zuvor seit 1760 Inhaber eines Schutzbriefs für Fürstenberg (Havel) gewesen war, und hier um Minderung seines Schutzgeldes bat. 1769 erhielt er eine Handelskonzession für das Fürstentum Ratzeburg. Zumindest für das Jahr 1810 ist dann ein namentlich nicht erwähnter Schutzjude in Schönberg belegt. Alle zuvor genannten Personen müssen Schönberg schließlich verlassen haben, denn zur Volkszählung im Jahr 1819 lebten hier zunächst keine Juden mehr. In den landesweiten Mecklenburger Schutzjudenlisten aus den Jahren 1811 und 1824/25 ist Schönberg nicht aufgeführt.
Nach der Verleihung des Stadtrechts wuchs die Bedeutung Schönbergs, so dass ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine wirtschaftliche Blütezeit anbrach. Dies dürfte auch zur Neuansiedlung einiger weniger jüdischer Familien geführt haben. Zumindest für den Zeitraum von 1887 bis 1905 können die Familien Zöllner, Gimpel, Frisch, Nickelsburg und Joel nachgewiesen werden, über deren Geschichte oder weiteres Schicksal allerdings nichts bekannt ist. Der derzeit letzte Nachweis für einen jüdischen Einwohner in Schönberg stammt aus dem Jahr 1923, als hier Horst Abraham geboren worden war. Er verstarb später in Shanghai, vermutlich auf der Flucht vor den Nationalsozialisten. Seine Flucht muss spätestens im Jahr 1938 erfolgt sein, da sich die Stadt und der Kreis Schönberg schon am 15. Dezember 1938 für „judenfrei“ erklärten.
In Schönberg hat es nie einen jüdischen Friedhof, ein Bethaus oder Synagoge gegeben. Die Toten dürften entweder auf dem jüdischen Friedhof in Lübeck-Moisling oder in Rehna beerdigt worden sein. Die Schönberger Judenschaft stellte nie eine eigene jüdische Gemeinde dar, wozu sie körperschaftlich gehörte, ist noch unklar.
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 06.06.2017)
- Bollensdorf, Klaus: Rehnaer Miniaturen, Kulturinitiative Maurine-Radegast e. V., Rehna 2001
- Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Schutzjuden in Mecklenburg: ihre rechtliche Stellung, ihr Gewerbe, wer sie waren und wo sie lebten. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2002
- Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12-4/5, Nr. 241, 632, 665 (Judenangelegenheiten); Rep. 2.21-4/4, Mecklenburg-Schwerin (Großherzogtum), Volkszählungsamt, Volkszählung 1819
- Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
- Stadt Schönberg (Hrsg.): Schönberg 1219-1994: 775 Jahre: Chronik einer Stadt in Mecklenburg, Verlag Reinhard Thon, Schwerin 1994
Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Schönberg
Familien mit Bezug zu Schönberg
Abraham, Borchardt, Dornblatt, Frisch, Gimpel, Holdstein, Joel, Nickelsburg, Salomon, Saly, Samuel, Zöllner
Bekannte Holocaust-Opfer (5)
- Alfred Borchardt
- Emmi Flatow geb. Gimpel
- Amalie Alice Friede geb. Joel
- Wilhelm Holdstein
- Anna Kaufmann geb. Borchardt
Veröffentlichungen zu den Juden von Schönberg
Publikationen
- Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
- Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
- Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren