Feldberg
Zur jüdischen Geschichte von Feldberg
Der Ort Feldberg hat erst sehr spät Stadtrecht erhalten. Damit dürfte sich hier die erste jüdische Bevölkerung erst nach der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs niedergelassen haben. Die übliche Ansiedlungsweise, die in fast allen Mecklenburger Landstädten Uses war, indem sich bereits während des 18. Jahrhunderts Schutzjuden um ein Privileg für den jeweiligen Ort bemühten, gab es in Feldberg nicht. Weder in der landesweiten Steuerliste von 1760, noch in späteren Schutzjudenverzeichnissen aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Feldberg als Ort oder Feldberger Schutzjuden aufgeführt. Auch bei der Annahme der erblichen Familiennamen 1813/14 bei den Mecklenburger Juden gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass aus diesem Ort jemals Namensmeldungen veröffentlicht wurden. Damit ist nahezu sicher, dass Feldberg erst nach 1825, vermutlich sogar nach 1850, über jüdische Einwohner verfügte. Der zeitlich früheste Nachweis stammt aus dem Jahr 1862, wonach in diesem Jahr nur ein Jude in Feldberg ansässig war, sehr wahrscheinlich ein Mitglied der späteren Kaufmannsfamilie Philippson, die bis zum Ende der jüdischen Geschichte Feldbergs einen Großteil der hiesigen Judenschaft stellte und offensichtlich mit dem Ort eng verbunden war. Die jüdische Gemeinschaft von Feldberg war allerdings mit stets wohl unter zehn Mitgliedern außerordentlich klein und dies muss auch der Grund dafür gewesen sein, dass die Feldberger Judenschaft nie eine eigene körperschaftliche Gemeinde bildeten, sondern als solche immer der Israelitischen Gemeinde von Mirow angehörten.
Zunächst gab es deshalb auch keinen jüdischen Friedhof in Feldberg. Die wenigen Toten wurden bis zur Errichtung eines eigenen kleinen Friedhofs auf einem privaten Grundstück der Familie Philippson auf Betreiben dieser Familie im Jahr 1870 in Neustrelitz bestattet. Eine Synagoge hat es in Feldberg nie gegeben, sehr wahrscheinlich sogar nicht einmal ein Betlokal. Zum Gottesdienst fuhren die Feldberger Juden deshalb nach Mirow. Mindestens ein Kantor und Religionslehrer kam aus Feldberg und war ebenfalls ein Mitglied der Philippson: Abraham Philippson. Er dürfte allerdings nicht hier praktiziert haben. Der gleichen Familie entstammte auch der spätere Neuruppiner, Fürstenwalder und Berliner Arzt Dr. Siegfried Philippson.
Ab Anfang des 20. Jahrhunderts bekam Feldberg zumindest zeitweise jüdischen Zuwachs. Der jüdische Komponist Robert Kahn bezog hier gemeinsam mit seiner Familie regelmäßig seinen Sommersitz. Neben seiner Tätigkeit als Komponist lehrte Kahn auch an der Berliner Musikhochschule, war Mitglied der Königlichen Akademie der Künste und verkehrte regelmäßig unter anderem mit Schriftstellern wie Gerhart Hauptmann und Christian Morgenstern, aber auch mit Naturwissenschaftlern, zu denen sogar Max Planck und Albert Einstein gehörten. Nach Antritt seines Ruhestandes zog er 1931 gänzlich nach Feldberg um und plante hier, seinen Lebensabend zu verbringen.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten stellte auch in Feldberg die Zukunft der jüdischen Einwohnern in Frage. Die genauen Umstande der Repressalien gegen die jüdischen Feldberger sind nur bruchstückhaft überliefert. Bekannt ist, dass Ferdinand Philippson 1937 unter dem Druck des nationalsozialistischen Bürgermeisters sein Textilgeschäft verkaufen musste. Anders als in den meisten Meckleburger Städten wurde hier der jüdische Friedhof nicht geschändet, was dem Eingreifen von Feldberger Mitgliedern des „Stahlhelms“, der Organisation ehemaliger Frontsoldaten des Ersten Weltkriegs, zugeschrieben wird. Nach der „Reichskristallnacht“ wurde Ferdinand Philippson am 11. November 1938 wie viele andere Mecklenburger Juden in sogenannte „Schutzhaft“ genommen und in das Gefängnis nach Alt-Strelitz gebracht. Nach seiner Entlassung flohen seine Söhne aus Deutschland, wohingegen er und seine Ehefrau in Feldberg blieben. Nachdem der Komponist Robert Kahn ein Aufführungsverbot erhalten hatte und als Jude aus allen Gremien ausgestoßen worden war, emigrierte er mit seiner Ehefrau Katharina nach Großbritannien. In Rahmen einer landesweiten Aktion wurde Ferdinand Philippson und seine Ehefrau Rosy am 11. November 1942 über Berlin nach Theresienstadt deportiert, wo seine Ehefrau verstarb. Ferdinand gelang es zu überleben. Entgegen anderer Holocaust-Überlebender kehrte Ferdinand nach Feldberg zurück und lebte auch nach Gründung der DDR hier weiter, ohne jemals sein enteignetes Haus zurück zu bekommen. Nach dem Tod im Jahr 1959 fand er seine letzte Ruhe auf dem jüdischen Friedhof von Feldberg.
Mindestens fünf ehemalige Feldberger der Familien Philippson und Hallinger wurden Opfer des Holocaust. Am ehemaligen Haus Robert Kahns, heute die Jugendherberge Feldberg, wurde für ihn eine Gedenktafel angebracht. Die Straße, in der sich die Herberge befindet, trägt zu seinen Ehren den Namen Robert-Kahn-Weg.
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 13.05.2017)
- http://www.hagalil.com/archiv/2007/08/feldberg.htm
- https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Kahn_(Komponist)
- Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
- Brocke, Michael / Ruthenberg, Eckehart / Schulenburg, Kai Uwe: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Institut Kirche und Judentum, Berlin 1994
- Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
- Hofmann, Peter: Jüdisches Leben in Mecklenburg-Strelitz, Steffen Verlag, Friedland/Mecklenburg 2007
- Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2008
Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Feldberg
Familien mit Bezug zu Feldberg
Barkowsky, Hallinger, Israel, Kahn, Pesslin, Philippson, Rosenthal
Persönlichkeiten
- Neuruppiner, Fürstenwalder und Berliner Arzt Dr. Siegfried Philippson
Bekannte Holocaust-Opfer (5)
- Klara Geiger geb. Philippson
- Willy Hallinger
- Martin Hallinger
- Rosy Philippson geb. Meyer
- Max Philippson
Veröffentlichungen zu den Juden von Feldberg
Publikationen
- Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
- Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
- Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen
- Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren
- Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945
- Schmidl, Marlies: Zuflucht Shanghai: Erinnerungen 1938-1948, Nach Aufzeichnungen des jüdischen Arztes Dr. Siegfried Philippson
- Mertens, Elke / Köhncke, Andreas / Nicke, David: Forschungsprojekt Jüdische Friedhöfe in Mecklenburg Vorpommern, März 2002 - Februar 2003, Bericht inklusive Anhang
- Voß, Gerhard: Jüdische Friedhöfe in Mecklenburg – eine Bestandsaufnahme
In: Studienhefte zur Mecklenburgischen Kirchengeschichte, Heft 1 (1993), S. 5-15