Burg Stargard

Zur jüdischen Geschichte von Burg Stargard


Das Bild der heutigen Stadt Burg Stargard, die bis 1929 nur Stargard hieß und in der Nähe von Neubrandenburg liegt, war stets durch die mittelalterliche Burg geprägt, die auch die Vorlage für den späteren Namenszusatz lieferte. Bereits seit 1259 verfügt der Ort über Stadtrecht, gehörte damals aber noch zu Brandenburg, knapp 100 Jahre später zu Mecklenburg, genauer zunächst zum Herzogtum Mecklenburg-Stargard, später dann zum Herzogtum Mecklenburg-Strelitz.

Aufgrund des frühen Stadtrechts und der Bedeutung der Herrschaft Stargard war es sicherlich nicht ausgeschlossen, dass sich hier schon in mittelalterlichen Zeiten, also in der Phase der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs, Juden hätten niederlassen dürfen, jedoch liegen derzeit keinerlei Hinweise dafür vor.

Erst aus der Zeit nach der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs liegen erste Nachweise dafür vor, dass zumindest einige Schutzjuden bestrebt waren, sich hier niederzulassen und dies für Mecklenburger Verhältnisse sogar sehr früh. Schon am 2. Januar 1724 führte ein Moses Abraham aus Strelitz in einem Schreiben an den Herzog aus, dass er seit 1,5 Jahre für das Amt Stargard als Brandweinbrenner tätig war. Da seine erste Frau verstorben war, bat er um Erlaubnis, erneut heiraten zu dürfen und mit seiner neuen Liebe, einer Gitte Bendix aus Strelitz, sich anschließend in Stargard niederlassen zu dürfen. Der Herzog lehnte seine Bitte aus unbekannten Gründen am 21. Februar 1724 ab. Nach mehreren erneuten Bitten erhielt Moses Abraham letztmalig am 23. Mai 1724 eine in scharfem Ton verfasste letztmalige Ablehnung, sowohl zur Heirat als auch zum Umzug nach Stargard.

Fast 100 Jahre später war ein weiterer jüdischer Interessent ahnlich erfolglos. Am 17. April 1823 reichte ein Moses Pincus jun. aus Strelitz, Sohn eines Jacob Pincus und Ellenwarenhändler, ein Gesuch zum Handel und Aufenthalt in Stargard ein. Der Stargarder Magistrat lehnte in einer Stellungnahme vom 26. August 1823 das Gesuch ab, dem sich der Herzog am 2. September 1823 anschloss.

Wann sich die ersten Schutzjuden in Stargard niederlassen durften, liegt damit im Dunkeln. Schon der Ort Stargard taucht jedenfalls nicht in der landesweiten Schutzjudenliste aus dem Jahr 1760 auf, die den gesamten Zeitraum von 1749 bis 1760 abdeckt. Auch in späteren überregionalen Schutzjudenlisten von 1811 und 1824/25 wird der Ort nicht erwähnt. Darüber hinaus gibt es auch keine Hinweise auf eine jemals existierende Meldeliste der angenommenen erblichen Familiennamen bei den hiesigen Juden, soweit diese hier überhaupt schon ansässig waren, die das 1813 in Mecklenburger-Schwerin erlassene und 1814 in Mecklenburg-Strelitz übernommene Emanzipationsedikt von allen Mecklenburger Juden gefordert hatte.

Der früheste Nachweis für einen jüdischen Einwohner stammt aus dem Jahr 1876 mit der Geburt der Rosa Gombinski am 12. Januar 1876 in Stargard. Es ist daher anzunehmen, dass zumindest ihre Eltern sich bereits früher hier niedergelassen haben müssen.

Einen eigenen jüdischen Friedhof hat es in Stargard nie gegeben. Vermutlich dürfte man den jüdischen Friedhof von Neubrandenburg genutzt haben. Über eine Synagoge ist ebenfalls nichts bekannt und dürfte wohl nicht existiert haben. Dass die zahlmäßig kleine Stargarder Judenschaft je eine eigene körperschaftliche Gemeinde bildete, ist unwahrscheinlich.

Für die Zeit nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten gibt es Nachweise für zumindest zwei jüdische bzw. nach nationalsozialistischen Kriterien als jüdisch angesehene Familien in Burg Stargard. Der Kaufmann Salli Landau war Schriftführer der Stargarder SPD-Organisation und deren Wehrorganisation „Reichsbanner“ und wurde deshalb schon sehr früh verfolgt. Bei der zweiten Familie handelte es sich um ein Ehepaar aus Berlin, Lithograf Ernst Sehlmacher und seine Ehefrau Gertrud, welches in einer Wohnung am Papiermühlenweg lebten. Die Ehefrau wurde wegen „Abhörens von Feindsendern“ denunziert, nach KZ Auschwitz deportiert und dort am 12. Januar 1943 ermordet. Ihr Ehemann Ernst war zuvor schon verhaftet worden und im Zuchthaus Bützow-Dreibergen am 30. Oktober 1942 ums Leben gekommen. Seit 1948 erinnert ein Gedenkstein auf dem Grab des Ehepaares Sehlmacher an ihr Schicksal.

Nicht in direktem Zusammenhang zur jüdischen Geschichte Stargards steht das während des Zweiten Weltkrieges von jüdischen Frauen aus Polen, der Sowjetunion und Frankreich im „Nemerower Holz“ errichtete Außenlager des Kozentrationslagers Ravensbrück. Die nahezu 2000 gefangenen Frauen mussten dort unter unmenschlichen Bedingungen Zulieferteile für die V1 herstellen. Als im April 1945 die Front immer näher kam, wurden die inhaftierten Frauen auf einen Todesmarsch geschickt und die Überlebenden schließlich bei Malchow durch die Rote Armee befreit.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 10.06.2017)
Quellen:

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Stargard
  • Hofmann, Peter: Jüdisches Leben in Mecklenburg-Strelitz, Steffen Verlag, Friedland/Mecklenburg 2007
  • Jahnke, Karl Heinz: Gegen Hitler: Gegner und Verfolgte des NS-Regimes in Mecklenburg 1933-1945, Ingo Koch Verlag, Edition Neu Hochschulschriften, 2. Auflage, Rostock 2000
  • Jahnke, Karl Heinz: Sie dürfen nicht vergessen werden!: Widerstand gegen die NS-Diktatur in Mecklenburg 1933-1945, BS-Verlag-Rostock in Kooperation mit Ingo Koch Verlag, Rostock 2005
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12.-4/5, Nr. 241, 632, 665 (Judenangelegenheiten); Rep. 4.11-16, Nr. 78 (Judenangelegenheiten Mecklenburg-Strelitz)
  • Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)

Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Burg Stargard


Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Burg Stargard

Familien mit Bezug zu Burg Stargard


Aron, Bieber, Gombinski, Landau, Nordheim, Sehlmacher, Werner

Bekannte Holocaust-Opfer (3)


  • Elsbeth Gimpel geb. Giesner
  • Rosa Lissauer geb. Gombinski
  • Gertrud Sehlmacher geb. Schlamm

Veröffentlichungen zu den Juden von Burg Stargard


Publikationen


  • Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
  • Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
  • Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren