Gadebusch

Zur jüdischen Geschichte von Gadebusch


Für die Stadt Gadebusch liegen keinerlei Hinweise auf eine jüdische Bevölkerung während der Zeit nach der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs vor. Im Vergleich zu den anderen Mecklenburger Landstädten scheint hier die jüdische Ansiedlung während der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs etwas später erfolgt zu sein. In einer Steuerliste vom 1. Oktober 1760, die die in Mecklenburg ansässigen Schutzjuden für den gesamten Zeitraum von 1749 bis 1760 enthält, ist der Ort Gadebusch zwar aufgeführt, belegt jedoch gerade die Abwesenheit von Schutzjuden.

So dürfte die jüdische Ansiedlung in Gadebusch erst im Jahr 1782 begonnen haben. Der Schutzjude Levin Phillip, der am 21. März 1773 ein Privileg für Schwerin erhalten hatte, ließ dieses am 22. Juni 1782 auf Gadebusch umgeschreiben und ließ sich anschließend mit Frau und Kindern in Gadebusch nieder. Dieser durfte zwei unbeweibte Knechte halten und hatte im Gegenzug ein Schutzgeld von 12 2/3 Reichstalern zu zahlen. Im gleichen Jahr, am 24. Juni 1782, erhielt ein Salomon Simon für 12 2/3 Reichstaler seinen Schutzbrief für Gadebusch. Einige Jahre später muss sich auch der Schutzjude Wulf Hirsch hier niedergelassen haben, denn 1797 wurde diesem ein unbeweibter Knecht zugestanden. Im April 1804 stellte dann ein Abraham Samuel einen Antrag auf ein Privileg für Gadebusch. Dieser war der Sohn des Knechts, der bei dem Gadebuscher Schutzjuden Wulf Hirsch gearbeitet hatte und er selbst war Knecht bei einem weiteren Gadebuscher Schutzjudenen Salomon Ephraim, dessen Ansiedlungszeitpunkt nicht überliefert ist.

Erstaunlich früh für eine solch kleine jüdische Gemeinde wurde schon im Jahr 1806 in der Steinstraße eine Synagoge errichtet, über die allerdings kaum etwas bekannt ist.

Im ersten Quartal des 19. Jahrhunderts verzeichnete die Gadebuscher Judenschaft einen moderaten Zuwachs. Ein durch die Landesregierung angeforderter Bericht der örtlichen Steuerstube verzeichnete am 2. Juli 1811 in Gadebusch sechs Schutzjuden, allerdings nur solche, die Knechte halten durften: Hirsch Wulff, Raphael Hirsch, Salomon Ephraim, Isaac Rachmiel, Moses Hirsch und Abraham Samuel. Vermutlich dürften es daher mehr offiziell geduldete jüdische Haushaltsvorstände gewesen sein.

Bei der Annahme der erblichen Familiennamen auf der Grundlage des Emanzipationsedikts im Jahr 1813 erfolgten am 27. April 1813 aus Gadebusch insgesamt acht Meldungen mit sieben unterschiedlichen Familiennamen: Falkenthal, Hesse, Liebrecht, Lindenberg, Samuel, Steinhardt und Frank.

Das im Jahr 1825 erstellte Generalverzeichnis der in den Städten des Großherzogtums Mecklenburg Schwerin privilegierten Schutzjuden führte in diesem Jahr schon 14 Inhaber eines Schutzbriefes auf: Hirsch Wulff Falckenthal, Raphael Hirsch Steinhardt, Salomon Ephraim Liebreich, Moses Hirsch Steinhardt, Isaac Rachmiel Lindenberg, Michael Franck, Jacob Ephraim Liebreich, Jacob Alexander Hesse, Abraham Samuel, Lehmann Levi, Joel Seligmann, Simon Falckenthal, Wittwe Bendix und Wittwe Samuel.

Schon seit September 1821 verfügte die jüdische Gemeinde von Gadebusch eine eigene Armenkasse. Als gegen Mitte des 19. Jahrhunderts die Landesregierung den meisten jüdischen Gemeinden eine Gemeindeordnung verlieh, erhielt auch die Gadebuscher Gemeinde am 15. Juni 1853 ihre landesherrlichen Statuten.

In der Stadt Gadebusch hat es nie einen jüdischen Friedhof gegeben. Bis 1799 wurden die Toten der Gadebuscher Judenschaft auf dem jüdischen Friedhof in Schwerin beerdigt, das eine umständliche Überführung der Leichname erforderte. In dieser Zeit betraf das auch die Nachbargemeinden Rehna und Grevesmühlen. Es wundert daher nicht, dass schon am 30. April 1799 drei Rehnaer Schutzjuden einen Antrag auf einen eigenen Friedhofsplatz stellten, der am 6. Juli 1799 durch den Herzog bewilligt wurde. Im August 1799 wurde anschließend ein Revier auf dem Bauhoffeld vor der Stadt Rehna als jüdischer Bestattungsplatz eingerichtet. Der jüdische Friedhof von Rehna war von da an die zentrale Begräbnisstätte für die drei Judengemeinden Rehna, Gadebusch und Grevesmühlen. Spätestens 1811 gab es eine Chewra Kaddischa, eine jüdische Bestattungsgesellschaft, gemeinsam mit Rehna, Gadebusch und Grevesmühlen, die aber 1845 aufgelöst wurde. Danach entschied jede Gemeinde selbst über Bestattungsangelegenheiten. Nach der Auflösung der Rehnaer Gemeinde im Jahr 1883 ging der Rehnaer Friedhof auf die Gadebuscher Gemeinde über, die sich fortan darum kümmerte. Bis zur Genehmigung eines eigenen Friedhofs im Jahr 1877 nutzte auch die Grevesmühler Gemeinde diesen Friedhof zunächst weiter. 1919 erfolgte der Verkauf des unbelegten Teils des Grundstücks inklusive des Zeremonienhauses an die Stadt Rehna durch H. Falkenthal, damaliger Kassierer und Vorsteher der Chewra Kaddischa von Gadebusch. Der belegte Teil ging später an die Schweriner Gemeinde über, blieb noch bis mindestens 1939 unverkauft, wurde 1942 aber zugunsten des Deutschen Reichs eingezogen und später von der Stadt Rehna gekauft.

Die Religionslehrer

Im Gegensatz zu den Vorstehern der jüdischen Gemeinde Gadebusch sind noch einige ehemalige Religionslehrer der späteren Phase überliefert. So bewarb sich hier 1859 Seelig Jeremias aus Mirow als Lehrer für Gadebusch. Ob er allerdings auch angenommen wurde, ist unbekannt. Jacob Alexander Hesse war einige Zeit Vorbeter in Gadebusch. Um 1860 hatte Wolff Falkenthal das Amt als Religionslehrer inne, ihm folgte Abraham Samuel 1861 und ab Februar 1862 Samuel L. Baruch . 1866 wurde der Lehrer Schönlank aus Brüel für Gadebusch verpflichtet. Im gleichen Jahr bewarb sich auch Vorbeter, Schächter und Lehrer in Malchin, H. Schwarzbach, in Gadebusch, wurde jedoch von der hiesigen Gemeinde aus unbekannten Gründen abgelehnt. Ab Januar 1867 wurde Siegismund Schaul aus Buk hiesiger Lehrer. Es hielt ihn wohl auch nicht lange, denn zu Ostern 1868 wechselte der Lehrer Lichtenstein aus Rehna nach Gadebusch.

Die Gadebuscher Judenschaft zählte eher zu kleineren jüdischen Gemeinden. Hatte diese 1810 etwa 35 Mitglieder, erreichte sie ihren zahlenmäßigen Höchststand schon um 1825 mit knapp 60 Personen. Die Mitgliederzahl fiel danach jedoch kontinuierlich bis 1900 auf etwa 20 ab. Wie in vielen anderen jüdischen Gemeinden Mecklenburgs war deshalb auch hier die Existenz der Gemeinde als Körperschaft in Frage gestellt. Am 30. Oktober 1923 wurde die jüdische Gemeinde Gadebusch aufgelöst. Die verbliebenen jüdischen Einwohner mussten sich dann der Israelitischen Gemeinde Schwerin anschließen. Der Rehnaer Friedhof wurde in diesem Zusammenhang an die Schweriner Gemeinde übertragen. Trotzdem kümmerten sich die Gadebuscher Juden weiterhin um diesen, insbesondere Emil Lindenberg hatte diese Aufgabe übernommen, wie einige eingereichten Rechnungen wegen Auslagen zur Pflege des Friedhofs aus dem Jahr 1924 belegen. Im April 1924 strich der Hofmaurermeister und Zimmermeister Joachim Meyer auch das Eingangstor für 8,65 Mark. Am 24. September 1925 genehmigt das Ministerium für geistliche Angelegenheiten in Schwerin zusätzlich die Auszahlung der Gelder aus der Kasse der Israelitischen Landesgemeinde für die Instandsetzung der Umfriedungsmauer in Rehna, die nicht aus freiwilligen Beiträgen gedeckt werden konnten.

Zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 lebten in Gadebusch nur noch unter zehn jüdische Einwohner, deren Schicksale bis heute jedoch nur unzureichend erforscht sind. Die meisten von ihnen scheinen in der Folgezeit verzogen zu sein, denn 1942 gab es nur noch eine, nach nationalsozialistischen Kriterien als jüdisch angesehene Einwohnerin in Gadebusch. Martha Jahn geb. Cohn war mit einem bereits 1913 verstorbenen Nicht-Juden verheiratet. Für sie bestand daher kein Deportationsschutz nach den Regelungen der sogenannten „privilegierten Mischehe“. Sie wurde am 6. Juni 1944 in das Untersuchungsgefängnis Rostock verbracht, von wo sie am 7. Juni 1944 nach Theresienstadt deportiert wurde. Es gelang ihr zu überleben. Mindestens acht ehemalige Gadebuscher wurden jedoch Opfer des Holocaust. Bisher wurden noch keine Stolpersteine in Gadebusch verlegt.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 06.05.2017)
Quellen:

  • Bollensdorf, Klaus: Rehnaer Miniaturen, Kulturinitiative Maurine-Radegast e. V., Rehna 2001
  • Brocke, Michael / Ruthenberg, Eckehart / Schulenburg, Kai Uwe: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Institut Kirche und Judentum, Berlin 1994
  • Diekmann, Irene: Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998
  • Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
  • Guderian, Dieter: Die Löwenthals: eine jüdische Familie aus Mecklenburg, Cardamina-Verlag, Plaidt 2006
  • Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945, Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Helms Verlag, Schwerin 2008
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12-4/5, Nr. 241, 632, 665 (Judenangelegenheiten); Rep. 5.12-7/12, Nr. 53 (Regierungskommissar beim Israelitischen Oberrat), Nr. 9018, Nr. 9050 (Meckl.-Schwerin Ministerium für Unterricht, Kunst, geistliche Angelegenheiten)

Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Gadebusch


Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Gadebusch

Familien mit Bezug zu Gadebusch


Aaron, Abraham, Abrahamsohn, Baruch, Bendix, Biesenthal, Cohen, Cohn, David, Emdenberg, Falkenthal/Falckenthal, Franck/Frank, Frankenthal, Friedheim, Gorall, Hagedorn, Hesse, Hinrichs, Hirsch, Jacobson, Jahn, Joseph, Katz, Kayser, Levin/Levi, Levy, Lichtenstein, Liebmann, Liebreich, Lindenberg, Meyer, Rosenbaum, Rosenthal, Salomon, Samuel, Schaul, Schönlank, Seligmann, Simon, Steinhardt, Weil, Wolff, Wulf/Wulff, Würzburg

Bekannte Holocaust-Opfer (9)


  • Martha Aron geb. Seligmann
  • Sigmund Falkenthal
  • Hermann Falkenthal
  • Julie Falkenthal
  • Hans Lichtenstein
  • Heinz Liebmann
  • Julius Lindenberg
  • Willy Lindenberg
  • Röschen Rosenbaum geb. Falkenthal

Synagogen


Veröffentlichungen zu den Juden von Gadebusch


Publikationen


  • Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
  • Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
  • Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren
  • Kasten, Bernd: Verfolgung und Deportation der Juden in Mecklenburg 1938-1945

Dokumente mit Bezug zu den Juden von Gadebusch


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Beschreibung Zeitpunkt/Zeitraum Typ
Auszug aller privilegirten Juden und was selbige Laut der, mittelst Herzoglich Verordnung vom 20. Septbr. 1760 Communicirten Specification An Schutz-Geld Zur Herzoglich. Renterey von Anno 1749 bis zum Termino Trinitatis 1760 bezahlet haben, und darauf nach infinuation gedachter Specification, nemlich den 1ten Octobr. 1760 Restiren. 1749-1760 Transkript
Berichte der örtlichen Steuerstuben zu Knechten der ansässigen Schutzjuden auf Anforderung der Steuer-Policey- und städtischen Cämmerey-Commißion zu Güstrow vom 18. Juni 1811 1811 Zusammenfassung
General-Verzeichniß der in den Städten des Großherzogthums Mecklenburg Schwerin privilegirten sämmtlichen Schutz-Juden 3. Januar 1825 Transkript