Laage
Zur jüdischen Geschichte von Laage
In der Stadt Laage hat es während der Zeit der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs vermutlich noch keine jüdischen Einwohner gegeben, obwohl Laage bereits im 14. Jahrhundert über Stadtrecht verfügte. Die jüdische Gemeinschaft, die sich hier nach der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs bildete, war nie groß und zählte auch im Vergleich zu anderen jüdischen Gemeinde in Mecklenburg immer zu den kleinen.
Wann genau sich in Laage die ersten Schutzjuden ansiedeln durften, ist nicht genau feststellbar. Einer landesweiten Liste vom 1. Oktober 1760 zufolge, die den gesamten Zeitraum von 1740 bis 1760 abdeckte, gab es in diesem Zeitraum in Laage keine offiziell ansässigen Schutzjuden, so dass derzeit davon ausgegangen werden muss, dass sich in Laage damit erst nach 1760 jüdischen Einwohner angesiedelt haben dürften.
Möglicherweise waren hier jedoch schon damals zeitweise sogenannte „fremde“ Juden in der Stadt, denn für das Gut Prebberede, das sich ganz in der Nähe von Laage befindet, kann schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine jüdische Familie nachgewiesen werden. Ein um 1674 geborener Abraham Levi war bereits 1714 nach Prebberede gekommen und hatte dort auf dem Gut des Grafen von Bassewitz die Holländerei, wie Käsereien früher genannt wurden, gepachtet. Sein Nachkomme Marcus Abraham wurde später Schutzjude und Stammahn der Familie Josephy in Schwaan.
Der jüdische Friedhof von Laage soll nach mehreren Sekundärquellen schon vor 1800 angelegt worden sein. Glaubwürdig erscheint das jedoch aufgrund der zu erwartenden Anzahl an offiziell geduldeten jüdischen Einwohnern nicht und bedarf weiterer Recherchen. Eine eigens für den Gottesdienst errichtetes oder umgebautes Synagogengebäude hat es in Laage nie gegeben. Sehr wahrscheinlich dürften auch hier lediglich angemietete Betlokale dazu benutzt worden sein.
Der früheste namentliche Nachweis eines Laager Schutzjuden stammt aus dem Jahr 1811. Die örtliche Steuerstube hatte damals auf Anforderung der „Steuer-Policey- und städtischen Cämmerey-Commißion zu Güstrow“ am 28. September 1811 einen Bericht zu Knechten der in der Stadt ansässigen Schutzjuden verfasst. Danach gab es hier mehrere Schutzjuden, von denen aber leider im Falle Laages nur Isaack Samuel namentlich erwähnt wurde und der zum damaligen Berichtszeitraum darüber hinaus auch nicht anwesend war.
Zur Annahme der erblichen Familiennamen auf der Grundlage der entsprechenden Forderung des Emanzipationsedikts vom 22. Februar 1813 wurden erst am 23. Februar 1814 aus Laage insgesamt sechs Familiennamen gemeldet, wodurch sich für Laage nun erstmals auch eine vollständige Schutzjudenliste ergibt: Schutzjuden Abraham Ahrends nahm den Namen Abraham an, Ahrend Röbel wurde zu Ahrends, Joseph Isaac wurde zu Joseph, Simon Mendel behielt den Namen Mendel, so wurde auch Isaac Samuel zu Samuel und Jacob Salomon zu Salomon. Das Generalverzeichnis der in den Städten des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin privilegierten Schutzjuden aus dem Jahr 1825 belegt, dass die meisten der vorgenannten Schutzjuden auch in Laage blieben. Genannt werden dort Jacob Salomon, Siemon Mendel, Juda Ahrends, Ahrens Abraham, Isaac Samuel und Isaac Joseph.
Diese Schutzjuden dürften auch die Gesamtanzahl der Familienoberhäupter der meisten in Laage ansässigen jüdischen Familien gewesen und geblieben sein. Die reine Anzahl jüdischer Einwohner war für den Raum Mecklenburg vergleichsweise sehr gering. Bis 1835 war die Anzahl jüdischer Einwohner gering angestiegen, blieb zwischen 1835 und 1850 nahezu konstant um die Höchststand von 45 Personen, fiel dann aber kontinuierlich ab. Laage zählte damit zu den sehr kleinen jüdischen Gemeinden in Mecklenburg.
Am 16. Januar 1846 erhielt auch die jüdische Gemeinde von Laage eine landesherrlich verordnete Gemeindeordnung. Zur Deutschen Revolution 1848/49 wird Laage von dem ehemalige Güstrower Rabbiner Dr. Leopold Donath erwähnt, als die Laager Juden am 6. Oktober 1848 und 7. November 1849 ausdrücklich für wahlfähig erklärt wurden.
Darüber hinaus wird die Laager Gemeinde dann erst wieder zu Beginn des 20. Jahrhunderts aktenkundig, als es um deren Auflösung ging. Für eine solch kleine Gemeinde war es schon erstaunlich, dass für diese erst 1913 die Auflösung ins Spiel gebracht wurde. Denn die Abwanderung der jüngeren jüdischen Einwohner aus Laage, die schon im 19. Jahrhundert eingesetzt und die meisten von ihnen in die Großstädte geführt hatte, dürfte die Gemeinde wesentlich früher finanziell in Bedrängnis gebracht haben. Anders als andere Gemeinden schlug diese selbst eine Auflösung der Gemeinde vor. Am 28. Mai 1913 schrieb sie in dem Zusammenhang an den Israelitischen Oberrat, dass nur noch eine Familie ohne schulpflichtigen Kindern hier lebe, das Barvermögen der Gemeinde lediglich 113,50 Mark betrage und auch kein Gottesdienst mehr stattfinde und die Gebetsrollen bereits vor Jahren nach Schwerin gebracht worden seien. Zunächst ging man in Verhandlung mit der Stadt zur Übernahme des Friedhofs, was sich aber aufgrund der enormen Forderung seitens des Magistrates in Höhe von 2000 Mark für die Pflege zerschlug. Letztlich wurde die zukünftige Pflege des Friedhofs für 1500 Mark, die durch private Spenden aufgebracht wurden, von der Israelitische Landesgemeinde übernommen. Die vorhandenen Personenstandsbücher, Akten und Siegel wurden an das Geheime Staatsarchiv in Schwerin übersandt, das restliche Bargeld der Israelitischen Landesgemeinde überwiesen. Am 2. Juni 1915 bestand die jüdische Gemeinde Laage ohnehin nur noch aus Albert Mendel. Am 12. März 1916 erteilte auch Großherzog Friedrich Franz die landesherrliche Genehmigung zur Auflösung, so dass am 7. Juni 1916 alle Bedingungen zur Auflösung erfüllt waren und die Gemeinde offiziell vom Ministerium aufgelöst und die Gemeindeordnung außer Kraft gesetzt wurde. Albert Mendel schloss sich am 12. Juli 1916 der Gemeinde Rostock an. Mit seinem Tod im Jahr 1926 endete auch die jüdische Geschichte der Stadt Laage.
Zur Machtergreifung der Nationalsozialisten lebten vermutliche keine Juden mehr in Laage, so dass es hier zu keinen bekannten Verfolgungen oder Vorfällen gegen Einwohner gekommen sein dürfte. Als einzige Hinterlassenschaft der ehemaligen jüdischen Einwohner wurde der jüdische Friedhof immer wieder zum Ziel zum Teil auch bewusster antisemitisch motivierter Beschädigungen und wurde so bis zum Kriegsende zumindest teilweise zerstört.
Zumindest drei ehemalige jüdische Einwohner von Laage wurden später Opfer des Holocaust. Bisher wurden noch keine Stolpersteine in Laage verlegt.
(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 24.03.2017)
- http://www.svz.de/regionales/mecklenburg-vorpommern/kultur/eine-typisch-deutsch-juedische-familie-id4216506.html
- Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
- Brocke, Michael / Ruthenberg, Eckehart / Schulenburg, Kai Uwe: Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), Institut Kirche und Judentum, Berlin 1994
- Donath, Leopold: Geschichte der Juden in Mecklenburg von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874), Verlag Oskar Leiner, Leipzig 1874
- Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
- Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12-4/5, Nr. 241, Nr. 632, Nr. 665 (Judenangelegenheiten); Rep. 5.12-7/1, Nr. 9069 (Meckl.-Schwerin Ministerium für Unterricht, Kunst, geistliche Angelegenheiten); Rep. 5.12-7/12, Nr. 57 (Regierungskommissar beim Israelitischen Oberrat)
- Leo Baeck Institute New York: AR 7019 / MF 551, Rudolf Jakob Simonis Collection, 1749-1965, Box 3, Folder 42
- Projekt Juden in Mecklenburg: Gesamtstammbaum der Mecklenburger Juden (GEDCOM)
Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Laage
Familien mit Bezug zu Laage
Aaron, Abraham, Ahrends, Ahrens, Ahrensthal, Behrens, Bernhard, Bonheim, Daniel, Friedrichs, Heilbronn, Hirsch, Isaac, Israel, Jacobsen, Jacobson, Jaffe, Joseph, Josephi, Ladewig, Lehmann, Leopold, Levetzow, Levi, Levin, Levy, Louis, Löwenthal, Mendel, Moses, Rösner, Salomon, Samuel, Seelig, Simon, Sussmann, Weil
Bekannte Holocaust-Opfer (3)
- Anna Bonheim geb. Mendel
- Arnold Leopold
- Auguste Polack geb. Joseph
Veröffentlichungen zu den Juden von Laage
Publikationen
- Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
- Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
- Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen
- Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren
- Raum, Carlotta / AG „1000 Jahre Mecklenburg“ beim Landkreis Güstrow: Aus der Geschichte der Mecklenburger Juden: Krakow am See, Bützow, Laage, Teterow, Güstrow ; eine Ausstellung des Landkreises Güstrow zum Jubiläum „1000 Jahre Mecklenburg“
Dokumente mit Bezug zu den Juden von Laage
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Beschreibung | Zeitpunkt/Zeitraum | Typ |
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Auszug aller privilegirten Juden und was selbige Laut der, mittelst Herzoglich Verordnung vom 20. Septbr. 1760 Communicirten Specification An Schutz-Geld Zur Herzoglich. Renterey von Anno 1749 bis zum Termino Trinitatis 1760 bezahlet haben, und darauf nach infinuation gedachter Specification, nemlich den 1ten Octobr. 1760 Restiren. | 1749-1760 | Transkript |
Berichte der örtlichen Steuerstuben zu Knechten der ansässigen Schutzjuden auf Anforderung der Steuer-Policey- und städtischen Cämmerey-Commißion zu Güstrow vom 18. Juni 1811 | 1811 | Zusammenfassung |
General-Verzeichniß der in den Städten des Großherzogthums Mecklenburg Schwerin privilegirten sämmtlichen Schutz-Juden | 3. Januar 1825 | Transkript |