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Bad Doberan

Zur jüdischen Geschichte von Bad Doberan


Die Stadt Doberan, die erst ab 1921 Bad Doberan hieß, dürfte in der Zeit nach der jüdischen Erstbesiedlung Mecklenburgs im Mittelalter sehr wahrscheinlich noch über keine jüdische Bevölkerung verfügt haben, da Doberan überhaupt erst 1879 das Stadtrecht verliehen wurde. Die mangelnde wirtschaftliche Bedeutung des Ortes mag auch der Grund dafür gewesen sein, warum es hier auch nach der jüdischen Wiederbesiedlung Mecklenburgs erst vergleichsweise spät jüdischen Einwohner gab. Derzeit gilt als erster Schutzjude ein Hausierhändler namens Joseph Meyer, der 1806 hier ansässig war, 1823 aber nach Kröpelin verzog.

Möglicherweise war er aber zu dem Zeitpunkt nicht der einzige Schutzjude in Doberan, denn als die Stadt am 21. Juni 1813 die vom Emanzipationsedikt vom 22. Februar 1813 geforderte Liste der angenommenen erblichen Familiennamen der örtlichen Juden nach Schwerin übersandte, wurden dort neben besagtem Joseph Meyer, der fortan den Familiennamen Meyer führen wollte, auch ein Raphael Samuel und ein Simon Jacob aufgeführt, die die Namen Frenckel (später Fränkel) und Jacobsen (später auch Jacob) angenommen hatten.

Für die Folgezeit sind derzeit noch zu wenige archivalische Quellen ausgewertet worden, so dass kaum Fakten vorliegen. 1816 wurde eine Verordnung erlassen, nach dem in Doberan kein fremder Jude von den im Lande privilegierten Juden „unter irgend einem Vorwande aufgenommen“ werden solle. Es erschließt sich gerade im Hinblick auf die wenigen Juden in dem Ort allerdings nicht, warum gerade für Doberan eine solche Regelung notwendig gewesen sein sollte. Denn erst aus dem Jahr 1823 liegt ein weiterer Nachweis für einen Zuzug vor. In diesem Jahr durfte sich der Schutzjude Simon Joseph aus Kröpelin hier niederlassen. Das Generalverzeichnis der in den Städten des Großherzogtums Mecklenburg Schwerin privilegierten Schutzjuden aus dem Jahr 1825 belegt eine ausgesprochen geringe Anzahl an offiziell ansässigen Juden. Danach lebten in Doberan in diesem Jahr die Schutzjuden Joseph Raphael Fränkel, Joseph Meier und Simon Jacob. Bei Letzterem dürfte es sich wohl um vorgenannten Simon Joseph gehandelt haben.

Die jüdische Gemeinschaft von Doberan war stets außerordentlich klein und verfügte zu keiner Zeit über einen eigenen Friedhof oder ein angemietetes Betlokal oder gar eine eigene Synagoge. Bis 1821 mussten die Juden aus Kröpelin und Doberan ihre Toten in Neubukow beerdigen und vermutlich wurde auch die dortige Synagoge von beiden Gemeinden mitbenutzt. Nachdem in Kröpelin im Sommer 1821 eine jüdische Begräbnisstätte eingerichtet worden war, nutzte diesen auch die Doberaner Judenschaft. Auch eine Synagoge hat es in Doberan nie gegeben. Vermutlich nutzten diese wie auch die Kröpeliner Judenschaft die Synagoge in Neubukow.

Fest steht, dass die Doberaner und die Kröpeliner Judenschaft später eine gemeinsame Synagogengemeinde bildeten. Ob dies von Anfang an so war oder ob erst später ein Anschluss durch Doberan erfolgte, ist unbekannt. Wie sich einer Anfrage des Schweriner Ministeriums für Unterricht, Kunst, geistliche Angelegenheiten an die Doberaner Gemeinde entnehmen lässt, muss dies weit vor 1869 geschehen sein. Die 1847 in Kröpelin erlassene landesherrliche Gemeindeordnung dürfte zumindest später dann auch in Doberan gegolten haben. Eine Gemeindeliste vom 28. September 1869 führt deshalb jüdische Personen sowohl aus Doberan als auch aus Kröpelin auf. In Doberan war zu diesem Zeitpunkt nur eine Familie mit fünf Personen aufgeführt: Julius Bernhard mit seinen Kindern Martin (Meyer), Zerchen, Siegismund (Schulen), Johanna (Chane), wohingegen in Kröpelin mindestens 18 Personen zur dortigen Judenschaft gehörten.

Die Gemeinschaftgemeinde musste aufgrund der Abwanderung der jüdischen Gemeindemitglieder aufgelöst werden. Dies erfolgte 1917. Die restlichen Gemeindemitglieder aus beiden Orten schlossen sich der Rostocker Gemeinde an. Bis heute ist unklar, ob es zur Machtergreifung der Nationalsozialisten noch jüdische Einwohner in Bad Doberan gab.

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(Gramenz, Jürgen / Ulmer, Sylvia - 19.05.2017)
Quellen:

  • Arlt, Klaus / Beyer, Constantin / Ehlers, Ingrid / Etzold, Alfred / Fahning, Kerstin Antje: Zeugnisse jüdischer Kultur. Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Wichern-Verlag, Berlin 1992
  • Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Die Familiennamen der Juden in Mecklenburg: Mehr als 2000 jüdische Familien aus 53 Orten der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im 18. und 19. Jahrhundert. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2001
  • Francke, Norbert / Krieger, Bärbel: Schutzjuden in Mecklenburg: ihre rechtliche Stellung, ihr Gewerbe, wer sie waren und wo sie lebten. Schriften des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e. V., Verein für jüdische Geschichte und Kultur in Mecklenburg und Vorpommern e.V., Schwerin 2002
  • Lackmann, Thomas: Der Sohn meines Vaters: Abraham Mendelssohn Bartholdy und die Wege der Mendelssohns, Wallstein Verlag, Göttingen 2008, S. 208
  • Landeshauptarchiv Schwerin: Rep. 2.12-4/5, Nr. 665 (Judenangelegenheiten Mecklenburg-Schwerin); Rep. 5.12-7/1, Nr. 9048, Nr. 9058 (Meckl.-Schwerin Ministerium für Unterricht, Kunst, geistliche Angelegenheiten)

Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Bad Doberan


Jüdische Bevölkerungsentwicklung in Bad Doberan

Familien mit Bezug zu Bad Doberan


Ascher, Bach, Behrens, Bernhard, Burchard, Fraenckel, Fraenkel/Fraenckel/Fränkel, Gedalje, Hagedorn, Holländer, Holstein, Jacob, Jacobson, Knittel, Levy, Löwenthal, Marcus, Meyer, Pincus, Salomon, Simon, Weil, Wolff

Bekannte Holocaust-Opfer (2)


  • Ina Löwenthal geb. Ascher
  • Hella Marcus geb. Ascher

Veröffentlichungen zu den Juden von Bad Doberan


Publikationen


  • Adreßbücher über und für den Gewerbe- und Handelsstand der Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz
  • Mercantilisches Addreßbuch der Großherzogthümer Meckl.-Schwerin u. -Strelitz, worin: die Addressen der Magistratspersonen der Städte, der weltlich obrigkeitlichen Beamten der Flecken, der Accise- und Postbeamten, fremden Consuls, Advocaten, Apotheker, Kaufleute, Fabrikanten, Manufacteurs, Buchhändler, Gasthofinhaber und anderer dazu qualificirende Handels- oder industrielle Geschäfte treibende Leute in den Großherzopthümern, wie auch: bei jedem entsprechenden Orte Angabe seiner Wolkszahl, Meilenzeiger, Notizen über Schiffs-, Fuhrgelegenheiten etc.
  • Bajohr, Frank: Bürgerliche Lebenswelt und Bäder-Antisemitismus an der Ostseeküste Mecklenburgs und Vorpommerns
    In: Zeitgeschichte regional, Mitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern, Heft 1/2007, S. 7-15
  • Buddrus, Michael / Fritzlar, Sigrid: Die Städte Mecklenburgs im Dritten Reich: ein Handbuch zur Stadtentwicklung im Nationalsozialismus, ergänzt durch ein biographisches Lexikon der Bürgermeister, Stadträte und Ratsherren

Dokumente mit Bezug zu den Juden von Bad Doberan


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Beschreibung Zeitpunkt/Zeitraum Typ
General-Verzeichniß der in den Städten des Großherzogthums Mecklenburg Schwerin privilegirten sämmtlichen Schutz-Juden 3. Januar 1825 Transkript